Katrin Böhning-Gaese: Warum ist globaler Artenschutz in der Klimakrise so wichtig?

Shownotes

"Wir sind am Anfang der Klimakriese. Wetterextreme, die wir jetzt erleben, sind nur der Anfang von dem, was sich in den nächsten Jahrzehnten verstärken wird. Die Klimakrise ist aber nur eine von zwei großen Krisen die wir erleben. Die andere Krise ist das Artensterben." Katrin Böhning-Gaese ist Institutsdirektorin des Senkenberg Biodiverität und Klima Forschungszentrum und wurde 2001 mit dem deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Sie hat eine Forschungsmethode entwickelt, mit der man Umweltveränderungen recht genau vorhersagen kann. Der Schutz der Artenvielfalt auf globaler Ebene hier ein besonders wichtiger Punkt. Und hier kann auch jede und jeder bei sich im Kleinen damit anfangen, die Artenvielfalt zu erhalten: Garten- und Balkonbesitzer*innen können Pflanzen wie Lavendel, Salbei oder heimische Wildblumen pflanzen oder wir können (und müssen) unser Konsum- und Ernährungsverhalten ändern.

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Senkenberg Institut

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00: 00:00Intro/ Outro: Forscherinnen Freitag, der Interview Podcast mit innovativen Frauen aus der Wissenschaft.

00: 00:15Sandra Fleckenstein: Heute ist Forscherinnen Freitag, unser aller Lieblings Tag in der Woche, an dem ich, Sandra Fleckenstein, inspirierenden Frauen Fragen zu ihren entwickelten Innovationen stelle und heute bei mir zu Gast ist Professorin Katrin Böhning Gehse. Sie ist seit 2010 Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums und Professorin an der Goethe Universität Frankfurt. Sie hat 2021 den Deutschen Umweltpreis verliehen bekommen und sie hat eine Forschungsmethode entwickelt, mit der man Umweltveränderungen recht genau vorhersagen kann. Steht uns der Weltuntergang bevor oder gibt es noch Hoffnung? Das werde ich heute für euch herausfinden. Herzlich willkommen! Sehr geehrte Frau Böhning Gehse, schön, dass Sie da sind.

00: 01:09Katrin Böhning Gehse: Guten Tag, Frau Fleckenstein.

00: 01:13Sandra Fleckenstein: Schön. Ich freue mich sehr, mit Ihnen jetzt direkt einzusteigen. Sie sind ja Biologin und grundsätzlich kann man sagen, liegt Ihr Forschungsschwerpunkt, jetzt so ganz allgemein gesagt, auf der Beziehung zwischen Menschen und Ökosystemen, oder?

00: 01:30Katrin Böhning Gehse: Genau. Wobei mir der Blick auf die Natur, die Vielfalt all der Arten, Biodiversität wäre der Fachbegriff dafür, der Teil ist, der mir besonders am Herzen liegt.

00: 01:41Sandra Fleckenstein: Das ist sehr schön. Und ihre Innovation besteht in der Etablierung neuer ökologischer Forschungsmethoden in Deutschland und auch europaweit, habe ich gelesen. Und wenn Sie mögen, dann erzählen Sie uns gerne mal ein bisschen von diesen Forschungsmethoden. An was forschen Sie?

00: 01:59Katrin Böhning Gehse: Ich erforsche die Vielfalt der Arten, vor allen Dingen die Vielfalt der Vögel. Und früher, und da reden wir schon von der Wissenschaft von vor Jahrzehnten, hat man solche Arten, Gemeinschaften, also die ganzen Vögel, die einen umgeben, eher lokal untersucht. Und das Besondere an meiner Arbeit ist, dass ich, auch schon wieder vor Jahrzehnten, untersucht habe, wie die großen Muster der Vielfalt der Vögel über die Erde aussehen, wo also die Hotspots der Artenvielfalt sind und wie sich auch Vogel Gemeinschaften über lange Zeiträume verändern, also welche Arten langfristig abgenommen haben und welche Arten langfristig zugenommen haben.

00: 02:40Sandra Fleckenstein: Das heißt, da fällt mir jetzt direkt ein, Stichwort Globalisierung. Auch das Phänomen gibt es auch bei den Vögeln.

00: 02:46Katrin Böhning Gehse: Das gibt es in der Forschung in dem Maße, wo wir immer mehr Daten über auch die Verbreitung der Vögel Südamerikas und Afrikas bekommen haben, waren wir in der Lage, sozusagen Karten über die ganze Erde zu machen und gleichzeitig mit der Entwicklung der Computer Power in der Lage, solche Muster auf globalen Maßstab zu untersuchen.

00: 03:06Sandra Fleckenstein: Okay, und was haben wir davon, wenn Sie das untersuchen? Also, was ist Ihr Ziel dahinter?

00: 03:14Katrin Böhning Gehse: Zu wissen, wo die Artenvielfalt auf der Erde am höchsten ist, ist ganz relevant, weil das bedeutet, das sind dann auch die Punkte auf der Erde, wo man am ehesten und am wichtigsten Schutzgebiete einrichten muss. Und das hat diese Perspektivwechsel auch den Naturschutz in Deutschland massiv verändert, weil diese globale Perspektive gezeigt hat, dass manche Arten, wo wir dachten, die sind in Deutschland selten, zum Beispiel der Wiedehopf, dass die in Wirklichkeit global verbreitet sind und in Deutschland jetzt nicht so relevant geschützt werden müssen. Auf der anderen Seite Arten wie der Rotmilan, wo wir dachten, es ist eine häufige Art in Deutschland, müssen wir uns nicht drum kümmern. Da hat sich bei den Analysen herausgestellt, dass über 50 % aller Rotmilane auf der Erde in Deutschland vorkommen. Und dann war klar: Ha, das ist eine Art, wo wir uns in Deutschland wirklich drum kümmern müssen. Da haben wir globale Verantwortung.

00: 04:09Sandra Fleckenstein: Okay, also es geht um Naturschutzmaßnahmen, und im Speziellen bei Ihnen, um Vogelschutz. Und bei Ihnen ist ja auch im Titel der große Begriff Klima mit drin. Stichwort Klimakrise. Da kommt man ja dann auch gar nicht dran vorbei, wenn man sich mit Naturschutz beschäftigt. Klimakrise ist ein großer Begriff, ist derzeit sehr oft und häufig genutzter Begriff. Viele Menschen machen sich Sorgen, viele Menschen entwickeln Ängste, viele gehen auch in Aktion und auf die Straße. Wie ist Ihre Einschätzung dazu? Befinden wir uns in einer Art Klimakrise derzeit? Und ganz provokant gefragt: Wird die Welt untergehen?

00: 04:55Katrin Böhning Gehse: Wir sind am Anfang der Klimakrise, also das, was wir jetzt erleben mit den Dürren und den Überschwemmungen, ist der Anfang von dem, was sich in den nächsten Jahrzehnten um wesentliche Faktoren verstärken wird. Wir müssen uns aber klar machen: Die Klimakrise ist nur eine der zwei großen Krisen, die wir auf der Erde erleben. Die andere Krise ist die Krise des Artensterbens. Und wenn wir diese beiden Krisen miteinander vergleichen, ist klar: Bei der Klimakrise geht es nur in Anführungsstrichen darum, wie wir als Menschheit in Zukunft auf der Erde leben. Beim Artensterben geht es letztlich darum, ob wir als Menschheit auf der Erde überleben. Also das ist die mindestens genauso relevante, wenn nicht sogar relevantere Krise.

00: 05:43Sandra Fleckenstein: Das ist ein sehr interessanter Punkt. Da habe ich so in dem Zusammenhang noch nie drüber nachgedacht, weil natürlich dieser zweite Begriff, das Artensterben hört man immer mal wieder auch. Aber die Klimakrise ist ja einfach auch medial gerade viel mehr verbreitet und wird viel mehr diskutiert, auch in der Öffentlichkeit als jetzt das Artensterben. Was ist Ihr Wunsch, was ist Ihr Wunsch in der Hinsicht?

00: 06:07Katrin Böhning Gehse: Das erste ist, dass in Zukunft Klimakrise und Artensterben immer im gleichen Satz genannt werden, dass einfach klar ist, dass wir es mit einer Zwillings Krise zu tun haben und dass wir uns um das Thema Artensterben mindestens genauso kümmern müssen wie um das Thema Klima. Und jetzt, Ende des Jahres stehen die großen internationalen Verhandlungen an und das Thema sollte in die Medien. Das sollte auf die erste Seite, das sollte in den Wirtschaftsteil, das braucht viel mehr Aufmerksamkeit.

00: 06:38Sandra Fleckenstein: Dann ist auf jeden Fall sehr gut, dass wir heute darüber sprechen und da hoffentlich einen kleinen Beitrag dazu leisten. Man spricht ja in dem Zusammenhang, gerade jetzt auch Klimakrise, oft von dem 1,5 Grad Ziel. Wie schätzen Sie unsere Chancen ein, dass die Erderwärmung wirklich auf 1,5 Grad begrenzt werden kann? Und wenn wir dieses Ziel erreichen sollten, können wir damit dann unsere Lebensgrundlage schützen?

00: 07:09Katrin Böhning Gehse: Bis jetzt sehen die Zahlen leider nicht gut aus. Es sieht nicht so aus, als ob wir dieses 1,5 Grad Ziel erreichen. Das heißt aber nicht, dass wir aufhören sollten, uns darum zu bemühen, weil das ein unglaublich zäher Prozess ist und alle anderen Folgen, das heißt, wenn wir das 1,5 Grad Ziel nicht einhalten, zwei Grad Ziel, drei Grad, vier Grad Ziel, werden die Folgen immer dramatischer. Das heißt, es muss unser Ambition Niveau bleiben, das 1,5 Grad Ziel zu erreichen. Und gleichzeitig müssen wir dabei achten, dass wir Maßnahmen ergreifen, die jetzt nicht das Artensterben befördern. Das heißt, in Zukunft müssen wir ganz sensibel darauf achten, dass wir Maßnahmen ergreifen, die sowohl dem Klima schützen als auch dem Artenschutz dienen.

00: 07:58Sandra Fleckenstein: Okay, verstehe. Jetzt stellt sich natürlich für mich die nächste Frage: Was ist Ihre Prognose? Was passiert, wenn wir das nicht erreichen, so wie es ja gerade danach aussieht? Was hat das weiterhin für Konsequenzen? Ich meine, die ersten spüren wir ja schon als Menschheit auf dem Planeten. Was ist Ihre Prognose? Wie geht es da weiter?

00: 08:19Katrin Böhning Gehse: Also für die Klimawissenschaften haben das die KlimaforscherInnen ja recht gut berechnet. Also wir wissen, wo die Kipppunkte so in etwa liegen. Also aller Voraussicht nach werden als erstes die Korallenriffe massiv beschädigt werden und womöglich und da wissen wir noch nicht genau was passiert, weil die Korallen sind lebende Organismen, die können auch involvieren, die kann sich auch anpassen. Ob die in der Lage sind, dann die Arten, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommen, ob die in der Lage sind, die Riffe zu retten. Und dann ist zu erwarten, dass bestimmte Ökosysteme am Gefährlichsten sind, die Permafrostböden im globalen Norden umkippen werden und tauen werden, die das Ganze dann dramatisch beschleunigen werden. Und eine riesige und wirklich bedrohliche Folge ist der Anstieg des Meeresspiegels. Damit hat es Folgen für den Küstenschutz und vor allen Dingen die Bevölkerung in Ländern, wo wir überhaupt keinen Küstenschutz haben. Also viele der großen Städte werden sozusagen volllaufen. Und dann ist natürlich eine Folge, die wir jetzt schon sehen die Zunahme der Extremereignisse, die Zunahme der Dürren, die Zunahme der Stark-Niederschlags-Ereignisse, was dann letztlich dazu führt, und das ist das ganz besonders Schreckliche und Unfaire, dass vor allen Dingen die Menschen im globalen Süden von diesen Katastrophen viel mehr bedroht sind als wir hier im globalen Norden. Mit solchen Folgen wie Umweltflüchtlingen, die dann bei uns im globalen Norden auch auftauchen werden. Also das hat existenzielle Folgen für die ganze Menschheit.

00: 09:59Sandra Fleckenstein: Okay, und in welchem Zeitraum denken Sie jetzt gerade?

00: 10:05Katrin Böhning Gehse: Die derzeitigen Modelle laufen bis Ende dieses Jahrhunderts, also bis 2100. Und die Korallenriffe fangen schon an, wenn wir so weitermachen wie bisher, in wenigen Jahrzehnten zu kippen.

00: 10:19Sandra Fleckenstein: Und würden Sie sagen, neben all den Maßnahmen, die ja schon gerade passieren und auch noch passieren müssen, gibt es Hoffnung, dass wir das als Menschheit in den Griff bekommen?

00: 10:33Katrin Böhning Gehse: Die Hoffnung gibt es, weil die Szenarien sind immer noch in dem Maße offen, dass es klar ist, wenn wir diese Maßnahmen, die wir uns vorgenommen haben, erreichen, dass wir dann zumindest das Zwei Grad Ziel einhalten können. Für den Biodiversität Schutz müssen wir genauso stark umschwenken. Da müssen wir eben von diesen jetzigen massiven Rückgängen in der Biodiversität; wir wissen, dass 1 Million von den geschätzt 8 Millionen Arten auf der Erde vom Aussterben bedroht ist. Wir wissen, dass wir am Beginn des sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte stehen, und auch da müssen wir bis zum Jahr 2030 die Kurve kriegen, um dann idealerweise bis zum Jahr 2050 die Biodiversität wieder zu erhöhen. Und da sind die Maßnahmen Schutzgebiete, Renaturierung, Änderung des Konsums und Ernährung, Verhaltensänderungen der Landwirtschaft. Da gibt es eine lange Liste an Maßnahmen, die ergriffen werden müssen. Und da ist glasklar: Die müssen wir angehen, wenn wir die Biodiversität und damit unsere Existenzgrundlage als Menschheit retten möchten.

00: 11:39Sandra Fleckenstein: Was würden Sie jetzt sagen, wo kann jeder bei sich im Kleinen anfangen? Weil darum geht es ja. Es geht natürlich um große politische Entscheidungen, das ist ganz klar. Und dann sitzt man oft zu Hause und denkt "Ja, was kann ich denn da dran ändern? Oder wo kann ich denn da helfen?" Was ist Ihrer Meinung nach so ein paar Punkte, wo Sie sagen, das kann jeder zu Hause ganz einfach und schnell und unkompliziert umsetzen, um eben die Erde weiterhin zu retten?

00: 12:08Katrin Böhning Gehse: Ich konzentriere mich jetzt auf den Schutz der Artenvielfalt. Und das Schöne daran ist, dass man tatsächlich bei sich zu Hause auf dem Balkon anfangen kann und damit wirklich auch schon einen kleinen Beitrag, der etwas nützt, leisten kann. Das fängt damit an, was ich auf dem Balkon oder auf dem Fensterbrett habe. Idealerweise Pflanzen, die von Blüten Besuchern besucht werden können, wie Salbei oder Lavendel. Auch eine Pflanze, die von Bienen gerne besucht wird. Oder wenn wir einen Garten haben, dort statt Rasen lieber Blumenwiesen zu pflanzen, sodass wir die Bestäuber und blühende Büsche mit Beeren, die Vögel erhalten können, dann können wir uns in der Stadt einsetzen, dass wir eben auch da Bäume haben, dass wir blühende Wiesen haben statt Einheitsgrün und Beton. Und was ganz besonders wichtig ist: Wir müssen unser Konsum und Ernährungsverhalten ändern. Wir müssen wegkommen von der Lebensmittelverschwendung, weil wir damit eben einen Beitrag dazu leisten, dass sinnlos Lebensmittel angebaut und dann hinterher verloren gehen. Und wir müssen unser Ernährungsverhalten ändern. Wir verbrauchen gerade zu viel Landfläche auf der ganzen Erde, vor allen Dingen im globalen Süden, da wo eben die Biodiversität am höchsten ist. Und wenn wir unseren Fleischkonsum auch nur reduzieren, machen wir schon einen riesen positiven Impact. Für ein Kilogramm Rindfleisch brauchen wir 160-fach die Fläche wie für ein Kilogramm Kartoffeln. Und wenn wir zurück zum Sonntagsbraten gehen und nur einmal in der Woche Fleisch als Besonderes essen, heißt das, dass wir sehr viel weniger Fläche auf der Erde brauchen und viel mehr Biodiversität schützen können.

00: 13:53Sandra Fleckenstein: Das ist auf jeden Fall sehr gut zu wissen. Ich meine, das sind auch Dinge, die weiß man eigentlich ja auch schon. Aber ich finde es immer zwischendurch gut, immer auch mal wieder daran erinnert zu werden. Das sind die Dinge, wo man wirklich bei sich zu Hause anfangen kann. Und es ist nicht schwer und es tut auch nicht weh und es kostet auch nicht viel Geld. Im Gegenteil. So, jetzt würde ich gerne noch mal zu einem anderen Punkt kommen. Sie sind nämlich nicht nur wissenschaftlich tätig, sondern Sie setzen sich auch mit Nachdruck dafür ein, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in gesellschaftliche und politische Entscheidungsprozesse mit einfließen. Kurz gesagt Sie beraten also auch quasi die Politik. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Hört die Politik auf die Wissenschaft?

00: 14:42Katrin Böhning Gehse: Ja.

00: 14:43Sandra Fleckenstein: Ein zögerliches Ja.

00: 14:47Katrin Böhning Gehse: Die Antwort ist: Es hängt davon ab. Und bei der Politik gibt es eben einmal die Notwendigkeit, dass das, was man als Wissenschaftlerin zur Verfügung steht, kompatibel mit den politischen Entscheidungsprozessen ist. Und wo die Politik besonders gut zuhören kann, ist, wenn das solche Windows of opportunity gibt, wo man dann auch wirklich zum richtigen Zeit an der richtigen Stelle ist. Und das ist von der wissenschaftlichen Seite her oft nicht so richtig berechenbar. Das ist auch gesellschaftspolitisch nicht berechenbar. Wer wusste, dass Russland die Ukraine überfällt und dass sich damit die ganzen Prioritäten einmal vollständig durcheinanderwirbeln? Aus gutem Grund. Das heißt, man muss eigentlich als Wissenschaftlerin immer bereitstehen und wissen, wann ich dann auch mit meiner Politikberatung den Unterschied machen kann.

00: 15:41Sandra Fleckenstein: Okay, und wie kann ich mir das vorstellen? Also ruft dann ein Ministerium bei Ihnen an und sagt Frau Böhning Gehse, können Sie mal dazu kommen, setzen sich mal mit in die Runde. Wir brauchen da mal ein paar Ideen, oder wie läuft es?

00: 15:56Katrin Böhning Gehse: Das ist tatsächlich, was gelegentlich passiert, aber es geht auch andersrum. Ich bin ja Mitglied der Leopoldina, das ist die Nationale Akademie der Wissenschaften und die hat als Auftrag, Politikberatung zu leisten. Und da war ich Sprecherin einer Arbeitsgruppe, die eine Stellungnahme über den Verlust der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft erarbeitet hat. Also auf den Ecken, Wiesen und Weiden und was wir tun können. Und da haben wir dieses Thema für uns als wichtiges Thema identifiziert und haben dann eine Stellungnahme geschrieben und die dann der Politik vorgestellt. Und das ist in den Medien aufgegriffen worden. Und was wichtiger war oder mindestens genauso wichtig war, war, dass es dann Grundlage von einer Zukunftskommission Landwirtschaft wurde, die dann in Kompromisspapier erarbeitet hat, wo dann Landwirtschaft und Naturschutz ein Weg zusammengefunden haben. Und das ist dann das, was dann wirklich Politik beeinflusst. Die Wege sind oft umständlich und verschlungen, können aber dann letztlich trotzdem genauso oder sogar noch wirksamer sein.

00: 17:02Sandra Fleckenstein: Und Früchte tragen im wahrsten Sinne des Wortes. War das jetzt auch das Projekt, wofür Sie dann den Deutschen Umweltpreis 2021 bekommen haben?

00: 17:13Katrin Böhning Gehse: Das waren zwei Aspekte: Das eine die Innovation in der Wissenschaft. Und das war diese makro ökologischen Ansätze ganz auf großem Maßstab und über lange Zeiträume zu arbeiten und auf der anderen Seite sich als Wissenschaftlerin in der Politikberatung zu engagieren. Das machen ja eben auch nicht viele Wissenschaftler. Das kostet viel Zeit und Energie. Und diese Kombination, dieses Paket war es dann.

00: 17:37Sandra Fleckenstein: Okay, verstehe. Und wie bekommt man denn so einen Preis? Also wird man da vorgeschlagen oder schreibt man sich da irgendwo ein und hofft, dass man dann ausgewählt wird? Wie war das bei Ihnen? Und vor allen Dingen, was bedeutet der Preis für Sie persönlich?

00: 17:55Katrin Böhning Gehse: Bei mir war der Preis eine Überraschung. Also ich habe dann einfach mal einen Anruf gekriegt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, wo mir erklärt wurde, ich wäre jetzt mit diesem Preis ausgezeichnet und ich bin aus allen Wolken gefallen. Ich habe das nicht erwartet und nicht gewusst. Ich wusste auch nicht, dass ich nominiert war. Wie sich dann hinterher herausgestellt hat, haben eben verschiedene Einrichtungen diese Nominierung vorgeschlagen und das wurde dann in dieser Bundesstiftung Umwelt lange diskutiert und über verschiedene Gremien und verschiedene Wege dann schließlich ausgewählt. Also auch wieder ein sehr anspruchsvoller Prozess. Und was bedeutet es für mich? Das ist natürlich eine riesige Ermutigung gewesen, dass die Arbeit, die man dann lange Jahre macht, Jahrzehnte macht, gesehen und gewürdigt wird. Und was mir da besonders wichtig war, das war das eines der ersten Male, dass das Thema Biodiversität Artenvielfalt explizit ausgewiesen wurde. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat diesen Preis ja schon viele Jahre vergeben und oft auch für Ingenieur Leistungen und Unternehmen, die eben bessere Recycling Methoden oder bessere Herstellungs Methoden entwickelt haben. Ganz wichtig, ganz toll auch für den Klimaschutz. Aber das war eben die Würdigung des Themas Biodiversität und damit auch so etwas wie eine Zeitenwende in der Würdigung dieses Themas. Und das ist es, was mir dann auch besonders wichtig und für mich besonders wertvoll war.

00: 19:23Sandra Fleckenstein: Genau dieses ganze Thema einfach noch mehr ins Bewusstsein der Menschen auch zu bringen. Ja.

00: 19:30Katrin Böhning Gehse: Genau.

00: 19:32Sandra Fleckenstein: Frau Böhning Gehse, haben Sie vielleicht noch, wenn wir uns jetzt so ganz langsam Richtung Ende der Sendung bewegen, haben Sie vielleicht noch einen Tipp für uns, wo man sich bei der Masse an Informationen im World Wide Web wirklich auch wissenschaftlich fundierte, leicht verständliche Informationen zum Thema der heutigen Folge besorgen kann. Weil man wird überflutet, gerade aus der Wissenschaft, mit Zahlen und Fakten. Und die werden aber wieder widerlegt und die Nachrichten sagen das und die Politiker sagen das. Also was ist so eine verlässliche Quelle, die Sie uns vielleicht mit auf den Weg geben können? Und dafür gibt es bei uns eine Kategorie.

00: 20:28Intro/ Outro: Da geht mir ein Licht auf.

00: 20:30Katrin Böhning Gehse: Da muss ich klar auf meine eigene Institution verweisen. Ich bin ja bei Senckenberg, das ist ein Forschungs Museum. Und wir haben als Auftrag nicht nur exzellente Forschung zu machen und Sammlungen zu erhalten, sondern auch Wissenschaft zu kommunizieren. Und wenn Sie auf die Senckenberg Homepage gehen, gibt es da ganz viel, sehr gut aufgearbeitete Informationen für Kinder, für Erwachsene, für Einsteiger, für Fortgeschrittene zu allen Themen, die wir heute besprochen haben.

00: 21:02Sandra Fleckenstein: Und ich habe da nämlich schon mal drauf gelunzt. Da gibt es auch einen Podcast und der heißt Erd Frequenz, wo sie auch immer mal wieder zu Wort kommen. An der Stelle finde ich, kann man den auch gerne noch mal weiterempfehlen.

00: 21:16Katrin Böhning Gehse: Den kann ich nur empfehlen. Da gibt es auch tolle Geschichten über Wölfe, über Spinnen, über Artenvielfalt, über Klimawandel.

00: 21:25Sandra Fleckenstein: Erzählen sie auch viel über Vögel wieder?

00: 21:27Katrin Böhning Gehse: Genau. Und ich selber über Vögel und den stummen Frühling. Genau.

00: 21:31Sandra Fleckenstein: Sehr spannend. Also, liebe ZuhörerInnen, schaut euch gerne auch mal den Podcast Erd Frequenz an, wenn euch dieses Thema der heutigen Sendung am Herzen liegt und ihr euch informieren wollt, worum speziell wir beide, also Frau Böhning Gehse und ich euch natürlich bitten. Informiert euch, beschäftigt euch mit dem Thema, tragt es raus in die Welt, weil es ist, wahrscheinlich das gesellschaftlich relevanteste, mit dem wir uns derzeit beschäftigen dürfen. Frau Böhning Gehse. Zum Schluss habe ich noch eine allerletzte Frage für Sie. Sie kommt vielleicht ein bisschen unerwartet. Was ist denn Ihr Lieblingsgetränk?

00: 22:10Katrin Böhning Gehse: Lieblingsgetränk? Ah, vielleicht doch am Abend. Gerne. Ein Glas Wein.

00: 22:16Sandra Fleckenstein: Ein Glas Wein? Darf es ein besonderer sein? Ein Rotwein? Weißer?

00: 22:22Katrin Böhning Gehse: Je nach Jahreszeit. Im Sommer gerne Rose. Im Winter gerne Rotwein. Passend auch zu einem guten Essen.

00: 22:30Sandra Fleckenstein: Okay, verstehe. Also, dann stellen wir uns einfach mal vor, Sie sitzen in Ihrem Lieblingscafe an einem lauen Sommerabend. Ein netter Kellner bringt Ihnen ein Glas von einem sehr leckeren Rose. Schön gekühlt, frisch. Es perlt schon am Glas ab. Und vor Ihnen sitzt Ihr jüngeres Ich. Was möchten Sie der jungen Frau Böhning Gehse mit auf den Weg geben?

00: 23:03Katrin Böhning Gehse: Das ist eine spannende Frage. Was würde ich der jüngeren Frau Böhning Gehse auf den Weg geben? Also als Frau in dem System, und das ist die Wissenschaft nach wie vor, das von Männern dominiert ist, ist die wesentliche Nachricht, einfach bei sich zu bleiben, selbstbewusst zu sein, nicht aufzugeben und genau das zu machen, was einem am Herzen liegt. Aber das ist eigentlich das, was ich auch gemacht habe vor vielen Jahren. Insofern schließt sich da der Kreis. Aber was eben klar ist: Man darf sich nicht beirren lassen von einem System, das einen zum Teil schon wirklich nicht nur Steine, sondern auch Felsblöcke in den Weg legt. Und einfach an sich zu glauben, sich gute Freunde zu nehmen, die einen ab und zu den Rücken stärken und das zu machen, was man gerne macht.

00: 24:01Sandra Fleckenstein: Das ist ein sehr schönes Schlusswort. Vielen, vielen Dank für Ihre Zeit heute. Wir sind leider schon am Ende angekommen. Ich würde wahnsinnig gerne mit Ihnen weiter über dieses wirklich wichtige Thema sprechen. Vielen Dank auf jeden Fall für die ganzen Informationen, die Sie uns quasi aus erster Hand heute ja mitgegeben haben. Ja, vielen, vielen Dank und liebe ZuhörerInnen da draußen: Wir hoffen natürlich sehr, dass wir euch heute auch mit diesem, ich betone es noch mal, wichtigen Thema inspirieren konnten, aktiv zu werden und bei euch anzufangen. Und wir freuen uns natürlich auch, wenn ihr nächsten Freitag wieder dabei seid und euch rein klickt. Bis dahin Tschüss.

00: 24:53Intro/ Outro: Wir hoffen, dass euch die Folge gefallen hat. Auf unserer Plattform Innovative-Frauen.de findet ihr weitere spannende Inhalte. Schaut doch gern mal vorbei. Habt ihr Fragen oder Wünsche? Dann schreibt uns an Podcast@Innovative-Frauen.de . Ihr findet uns auch bei Instagram, Twitter, YouTube und LinkedIn. Und eine Info zum Schluss für die Transparenz. Die Plattform #InnovativeFrauen wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderrichtlinie Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation, Leistungen und Potenziale sichtbar machen und Sichtbarkeit strukturell verankern unter dem Förder Kennzeichen 01FP21070 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Kompetenzzentrum Technik Diversity Chancengleichheit e.V..

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