Big Brain: Ein 3D-Atlas vom Gehirn mit Katrin Amunts
Shownotes
In dieser Episode von #ForscherinnenFreitag tauchen wir tief in die Hirnforschung ein und sprechen mit Prof‘in Dr’in med. Katrin Amunts über ihre bahnbrechende Arbeit als Hirnforscherin. Sie hat einen digitalen Gehirn-Atlas entwickelt – ein Werkzeug, das Forschenden und Mediziner*innen weltweit hilft, das komplexe Zusammenspiel des menschlichen Gehirns zu verstehen.
In dieser Folge erfahrt ihr:
- Die Bedeutung des Jülich Brain Atlas für die medizinische Diagnostik und Neurowissenschaften
- Wie sich die Hirnforschung in den letzten 30 Jahren entwickelt hat
- Wie künstliche Intelligenz bei der Erstellung ihres Gehirn-Atlanten hilft
- Die Rolle internationaler Zusammenarbeit für den Fortschritt in der Hirnforschung
➡️ Über unsere Plattform #InnovativeFrauen könnt ihr euch mit Katrin vernetzen, außerdem ist sie offen für Anfragen als Rednerin und für Medienanfragen: Profil von Prof'in Dr'in Katrin Amunts
- Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) am Forschungszentrum Jülich
- Cécile und Oskar Vogt Institut für Hirnforschung am Uniklinikum Düsseldorf,
- Human Brain Project
- Julich Brain Atlas
Fragen oder Anmerkungen? Schreibt uns gerne: podcast@innovative-frauen.de
- Plattform #InnovativeFrauen
- Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V.
- Förderrichtlinie „Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation: Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern“
Folgt uns und kommt mit uns ins Gespräch!
Transkript anzeigen
Forscherinnen Freitag, der Interview Podcast mit innovativen Frauen aus der Wissenschaft. #00:00:13-9#
Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von Forscherinnen Freitag! Mein Name ist Sandra Fleckenstein, und ich bin heute im Gespräch mit einer echten Pionierin. Sie ist Hirnforscherin und hat einen digitalen Gehirn Atlas entwickelt. Was dieses Big Brain, also ein 3D Modell eines individuellen Gehirns, alles kann, wo es eingesetzt wird und welche Rolle KI dabei spielt, das frage ich heute natürlich für euch nach. Herzlich Willkommen Professorin Doktorin Katrin Amunts. Schön, dass du da bist! #00:00:49-4#
Danke, freue mich auch bei euch zu Gast zu sein. #00:00:52-7#
Bevor wir jetzt gleich inhaltlich starten, so zum Einstieg, möchtest du dich mal mit drei Hashtags beschreiben. #00:01:00-1#
Das ist gar nicht einfach. Ich würde sagen: Brain, Computer, Comprehension. #00:01:09-4#
Okay, auf Brain kommen wir auf jeden Fall jetzt sofort zu sprechen. Du bist in der Hirnforschung tätig, habe ich gerade schon anmoderiert. Was genau begeistert dich denn an der Hirnforschung? #00:01:21-7#
Ich denke, dass das Verständnis des menschlichen Gehirns insbesondere etwas ist, was eins der ganz großen wissenschaftlichen Fragen ist, die uns als Menschheit bewegt. Ähnlich wie, woher kommen wir? Was ist der Urknall? Wie entwickelt sich die Zivilisation? Und das Gehirn ist wirklich eins der großen Forschungsziele, die wir haben, wo wir noch ganz viel auch nicht verstehen und nicht wissen. Aber es ist andererseits ganz entscheidend, nicht nur dafür, um Patientinnen, Patienten besser zu helfen, Krankheiten besser zu therapieren, sondern es hat natürlich auch sehr viel damit zu tun, wie wir uns selbst verstehen als Menschen, menschliche Art, und deshalb finde ich so faszinierend. #00:02:13-5#
Jetzt stellen wir uns mal vor, vor dir steht ein fünfjähriges Kind und sagt: Katrin, was forscht du da eigentlich so? Wie würdest du deine Innovation einem fünfjährigen Kind erklären? #00:02:28-3#
Ich würde sagen, um das Gehirn zu verstehen, braucht man einen guten Atlas, gute Karten, wo was im Gehirn passiert, und ich mache so einen Atlas. Das ist so eine Art Google Maps, aber eben für das Gehirn. Man kann rein zoomen, man kann raus zoomen, man kann sich verschiedene Orte im Gehirn angucken, und damit versteht man besser, wie es funktioniert. #00:02:55-3#
Okay, und wie lange hat es genau gedauert, den heutigen Julich Brain Atlas zu entwickeln, also wirklich von der ersten Idee bis zum heutigen Status? #00:03:06-8#
Das hat fast 30 Jahre gedauert. #00:03:11-8#
Und seit 30 Jahren forschst du auch selbst an diesen Themen? #00:03:16-9#
Ich habe angefangen als junge Postdoc die Sprachregion, das sogenannte Broker Zentrum, zu quartieren. Das war das erste Hirnareal. Inzwischen haben wir über 200 Hirnareale kartiert. Das ist extrem aufwendig, zeitintensiv und arbeitsintensiv. Deswegen dauert es auch so lange, und wir sind immer noch nicht ganz fertig. Es gibt also immer noch Hirnregionen, von denen wir wissen, dass wir noch etwas genauere Karten anfertigen müssen. #00:03:48-9#
Hast du da so eine Prognose? Wie lange wird es noch dauern, bis das eine Art Vollständigkeit dann besitzt? #00:03:55-8#
Ich würde sagen, inzwischen ist Land in Sicht und wir wissen ganz gut, welche Hirnregionen vielleicht wie viele Areale uns noch bieten. Aber ich würde schon denken, dass ein paar Jahre ins Land gehen, vielleicht fünf. Und dann, denke ich, aber, haben wir wirklich die die meisten Hirnregionen mit einer guten räumlichen Auflösung kartiert. #00:04:18-4#
Wie bist du damals auf die Idee gekommen, den Atlas zu entwickeln? Also gab es vielleicht auch einen konkreten Beweggrund? #00:04:26-6#
Mit Atlanten hatte ich eigentlich schon relativ lange zu tun, schon in meiner Studienzeit. Aber die Atlanten, die man damals verwendet hat und jetzt auch immer noch, das sind ja Bücher mit sehr, sehr schönen Fotografien oder auch mit Grafiken, die zeigen, wie das Gehirn aufgebaut ist, wo bestimmte Gehirnareale zu finden sind. Und das ist natürlich ein Konzept, was heute nicht mehr trägt. Wir brauchen heute dreidimensionale Atlanten. Das Gehirn ist ja auch ein dreidimensionales Objekt. Und wenn wir daran denken, dass wir zum Beispiel Befunde von bildgebenden Studien von Patientinnen oder von Patienten, von Probanden, wenn wir versuchen wollen, die besser zu verstehen, mit Hilfe eines Atlas, da muss er natürlich 3D sein. Und ein zweiter Punkt, der uns recht schnell bewusst wurde, war, das Gehirne sehr, sehr unterschiedlich sind. Dass sich also Gehirne in ihrem Aussehen, in ihrer Furchen- und Windungsstruktur von Mensch zu Mensch unterscheiden, eigentlich genauso, wie wir uns von außen auch unterscheiden mit der Haarfarbe oder Körpergröße oder Augenfarbe. Und das gleiche passiert auf der Gehirn Ebene, und in vielen früheren Studien wurden diese Unterschiede, wir nennen das Viabilität, eher als Störfaktor begriffen. Aber das ist ja ein interessantes Forschungsgebiet, wenn man verstehen will, was bedeuten die denn? Was ist denn die funktionelle Relevanz? Was hat das mit unserem Verhalten vielleicht zu tun? Und auch da war eigentlich klar, von Anfang an, da müssen wir eine neue Art von Atlas entwickeln, wie es den vorher noch nicht gab und wie er eben in Buchform auch nicht passiert wäre. #00:06:19-4#
Also habe ich dich richtig verstanden, als du damals angefangen hast, mit Gehirn Atlanten zu arbeiten, dürfen wir uns die wirklich in Buchform vorstellen? #00:06:29-2#
Ja, das ist eins der bekanntesten Bücher, ist eines von Korbinian Brodmann, das ist von 1909, das hat viele schöne schematische Zeichnungen, und es hat auch gute Mikrofotografien, und wenn man sich das anguckt, dann sind das immer noch ganz wichtige und inspirierende Informationen. Aber man stellt eben fest, das Gehirn, was im eigenen Labor ist, das sieht ja ein bisschen anders aus, und man kann nicht alles reproduzieren, was dort im Buch geschrieben steht, und man kann nicht alles nachvollziehen. Das hat uns letztendlich zu einem weiteren Problem geführt, dass wenn man heute über einen Atlas nachdenkt, dann muss dieser Atlas reproduzierbar sein, und wenn etwas in der Wissenschaft reproduzierbar ist, also wenn es jemand anders genauso machen wird, wie ich das tue, zu den gleichen Schlussfolgern kommt, dann muss es auf Messungen beruhen. Und das wurde eben erst möglich, ich würde sagen, in den 80er, in den 90er Jahren, als die optischen Methoden und eben auch das Computer in sich weiterentwickelt hat und wir dann eben in der Lage waren, Veränderungen im Gehirn zu messen. Und das war eigentlich der Beginn einer ganz wichtigen Entwicklung, die heute natürlich zu voller Fahrt aufgelaufen ist. #00:07:45-4#
Das heißt, die Digitalisierung hat euch auf jeden Fall da in die Karten gespielt, gerade auch, wenn du sagst, da geht es auch um Individualität in den Gehirnen. Man kann ja nicht über jedes einzelne Gehirn jetzt ein Buch rausbringen. Das ist auch klar, und da ist natürlich die Digitalisierung eine ganz große Erleichterung. Was genau unterscheidet deine Erfindung von anderen bisherigen Gehirn Atlanten? #00:08:12-6#
Nun, der erste Unterschied, das ist ja praktisch die Erklärung auch wie sich meine Motivation entwickelt hat. Das sind Bücher, und wir sprechen über einen digitalen Atlas. Der ist im Computer, und der kann auch nicht nur auf meinem Computer gesehen sehen werden, sondern der ist webbasiert, also jede Kollegin, jeder Kollege kann sich den Atlas anschauen, kann sich die Karten herunterladen, das ist natürlich auch ein Riesen Fortschritt, den es gibt. Der zweite wichtige Unterschied: Wir berücksichtigen Variationen im Bau des Gehirns zwischen verschiedenen Menschen. Wir zeigen also auf, wie die Variabilität ist. Der dritte Unterschied: Wir verstehen das Gehirn als ein System, was wir verstehen wollen, von der zellulären Ebene bis auf die Ebene des gesamten Gehirns, des gesamten Organs, und das bedeutet, dass wir von der Mikrometer Ebene, also Tausendstel Millimeter Ebene bis hoch zu vielen Zentimetern verstehen wollen, wie die verschiedenen Aspekte der Hirn Organisation zusammenhängen. Wie also Zellen, Netzwerke, Formen, wie diese Netzwerke dann für bestimmte Funktionen verantwortlich sind. Und das heißt, wir müssen ganz verschiedene Dimensionen der Hirn Organisation versuchen zu verstehen, und auch das kann man nur miteinander zusammenbringen, wenn man das in einem digitalen Atlas macht, und das ist das, was letztendlich den Jülich Brain Atlas auszeichnet. #00:09:46-8#
Und wie kann ich mir das jetzt vorstellen? Also ist das eine Art Computerprogramm, wo man dann anklicken kann, welche Gehirnregionen man sich jetzt genauer angucken will und in welcher Auflösung oder... Ich hab so was natürlich jetzt noch nie gesehen. Wie sieht so was aus, dann in der digitalen Form? #00:10:08-2#
Es ist wirklich ein Computerprogramm, was eben über das Web funktioniert. Man öffnet das Programm und sieht dann ein Gehirn und kann dann wirklich mit der Maus über verschiedene Hirnbereiche gehen. Und dann immer, wenn man in einem bestimmten Areal ist, dann leuchtet ein Kästchen auf, was sagt, in diesem Areal haben wir auch Informationen darüber, wie zum Beispiel die Zeitpackungsdichte in dieser Hirnregion ist, oder wir haben Informationen, wie die molekulare Struktur ist, oder wir können etwas dazu sagen, wie diese Hirnregionen mit anderen Hirnregionen verbunden ist. Das heißt, wir bewegen uns im Gehirn mit der Maus und können dann verschiedene andere Informationen mit in das Bild hinein laden. Und wir können auch in diesem Programm das Gehirn in verschiedenen Ebenen schneiden. Das ist sehr wichtig, weil man ja nicht nur die Oberfläche des Gehirns schauen möchte, sondern man möchte ja in das Gehirn, in die Tiefe hinein gucken. Deshalb muss man es schneiden, und man kann es unter ganz verschiedenen Blickwinkeln machen, so wie man es eben für seine eigenen Forschungen dann braucht. Und man kann sich auch entscheiden am Ende, dass man vielleicht den ganzen großen Datensatz sich am Liebsten auf den eigenen Computer lädt, weil man da eben gerne mit weiterarbeiten möchte. Auch das ist möglich. #00:11:25-9#
Okay, jetzt habe ich auf jeden Fall ein konkreteres Bild vor Augen. Danke dir dafür. Ja, klinische ForscherInnen profitieren ja bereits von deiner Entwicklung, beispielsweise zur Optimierung von Operationen, zur Behandlung von Epilepsie. Wie genau hilft der Atlas jetzt bei Operationen am Gehirn? Also für was nutzen dann die Medizinerin diesen Atlas? #00:11:53-4#
Das basiert insbesondere auf dem sogenannten Big Brain, und wir haben das Big Brain genannt, weil es wirklich ein sehr, sehr großer Datensatz ist von einem ganzen Terrabyte. Der ist deshalb so groß, weil wir hier ein menschliches Gehirn mit einer räumlichen Auflösung von nur 20 Mikrometern, also 20000 Millimeter, das ist so dick, wie mein Haar dick ist, ein einzelnes Haar dick ist, rekonstruiert haben. Und das heißt, in diesem Gehirn können wir wirklich sehen, wie Zellen verteilt sind, wie sie Schichten formen oder wie sie bestimmte Zell-Cluster formen, und diese Information, wo im Gehirn die Zellen wie geclustert sind, wie dicht sind sie gelagert, wie verändern sie sich, wenn ich von der Oberfläche des Gehirns in die Tiefe gehen, diese Informationen sind sehr wichtig, um mathematische Modelle zu informieren, reicher biologisch anzureichern mit ganz realen Daten, die dann von Patienten Gehirn gemacht werden. Das sind Gehirne von Patienten, die haben, das sind Anfälle, und diese Anfälle beginnen meistens in einer ganz bestimmten Hirnregion, und wenn man diese Anfälle medikamentös nicht gut behandeln kann, also nicht stoppen kann, dann entscheiden sich Ärzte eben, diese Hirnregion, von der die Anfälle ausgehen, herauszunehmen. Das ist aber eine ganz schwierige Frage, weil einerseits möchte man dann so viel rausnehmen wie möglich, damit der Patient, die Patientin am Ende wirklich anfallsfrei ist. Andererseits will man natürlich möglichst wenig hinausnehmen, denn man möchte ja die gesunden Bereiche im Gehirn nicht schädigen, und das ist eine Frage eben, wo ist der richtige Punkt? Wie ist die richtige Region? Und bis jetzt verlassen sich Chirurgen da sehr stark auf ihre Erfahrung, und die ist natürlich extrem wichtig. Aber mit diesem mathematischen Modell, was die Kollegen in Frankreich entwickelt haben, und den Daten vom Atlas und bildgebenden Daten, die von diesem Patienten erhoben werden, kann man dann ein sogenanntes personalisiertes Hirnmodell entwickeln und damit eben Vorhersagen treffen, wo am Besten zu operieren wäre. Und das ist inzwischen in einem klinischen Versuch in Frankreich übergegangen, an dem 13 Kliniken teilnehmen, ein paar 100 Patientinnen, Patienten, und nächstes Jahr werden wir erfahren, ob dieser Ansatz wirklich dazu geführt hat, dass am Ende die Patienten anfallsfreier sind, bessere klinische Symptome haben oder vielleicht überhaupt keine klinischen Symptome mehr haben. #00:14:41-4#
Das bezieht sich jetzt alles auf den Bereich der Epilepsie Behandlung. Gibt es noch weitere Anwendungsbereiche für den Atlas oder das Big Brain? #00:14:52-3#
Ja, insbesondere für den Atlas gibt es ja noch ganz viele Bereiche, eigentlich immer dort, wenn wir als Wissenschaftler besser verstehen wollen, wo ist was im Gehirn? Also Kollegen, die sich dafür interessieren, wo Sprache lokalisiert ist, die können den Atlas nutzen. Aber auch, wenn ich an die klinischen Kolleginnen, Kollegen denke, da gibt es ja verschiedene andere Operationen, zum Beispiel bei Tumor, wo auch Gewebe entfernt werden muss und wo es eben auch darum geht, wo im Gehirn ist was lokalisiert. Wie weit kann ich gehen, ohne dass ich eben ganz wichtige Funktionen, zum Beispiel die Bewegung einschränke oder die Sprache am Ende beeinträchtige? Das will man ja gerade nicht, und dann ist eben ein Atlas hilfreich, genauso wie wenn wir in eine neue Stadt fahren, dann dann brauchen wir eben, früher haben wir einen Falk Atlas genommen, und jetzt haben wir eben ein anderes Navigationssystem, was uns hilft, sich in der Stadt zu orientieren, und so muss man sich eigentlich den Atlas auch vorstellen. #00:15:58-5#
Okay, ich habe jetzt auf jeden Fall ein richtig konkretes Bild vor Augen, was du da für eine Innovation entwickelt hast. Überall ein riesengroßes Thema ist ja gerade die künstliche Intelligenz. Wie profitieren KI und neuronale Netzwerke von deiner Forschungsarbeit und auch andersrum, wie profitierst du vielleicht von KI? #00:16:22-4#
Für uns war die Entwicklung in der KI, insbesondere im Deep Learning, also diesen tiefen neuronalen Netzwerken, ganz wichtig, zum Beispiel bei der Rekonstruktion der Gehirne von Verstorbenen. Man muss sich das so vorstellen, dass, um mikroskopisch arbeiten zu können, wir das Gehirn ja in viele 1000 einzelne hauchdünne Schnitte zerteilen. Wenn wir dann aber Dreidimensionales rekonstruieren wollen, dann haben wir eine riesige Flut an Daten, und wir haben Schnitte, die auch manchmal einen Riss haben oder eine Faltung haben, und all diese Artefakte, die leider unumgänglich sind, wenn wir im Labor damit arbeiten. Die müssen wieder herausgerechnet werden, und es hat sich herausgestellt, dass mit Hilfe von KI Verfahren das deutlich besser geht, also alles, was mit der Verarbeitung von Bildern zusammen hängt, davon profitieren wir sehr, sehr stark. Das ist eine Anwendung. Eine andere Anwendung, die wir unbedingt mit KI lösen müssen, ist, wenn wir versuchen wollen, das Axon, das ist der Fortläufer einer Nervenzelle, die diese Nervenzelle mit einer anderen Nervenzelle verbindet. Wenn wir das auf der Ebene des ganzen Gehirns versuchen wollen, dann ist das ein unglaublich schwieriges Problem, weil es alleine im Gehirn 2 bis 3 Millionen Kilometer von Verbindungen gibt, eine riesige Menge, und da kann man sich schon mal in diesen vielen Verbindungen verirren. Und um das korrekt zu machen, um also wirklich die Verbindungsstruktur besser zu verstehen und sagen zu können, wohin Zellen projizieren, in welcher andere Hirnregionen auch, dazu brauchen wir KI. Umgekehrt ist es aber so, dass wir heute wissen, dass viele Eigenschaften des Gehirns überhaupt noch nicht für neuronale Netze in Frage kommen, und neuronale Netze haben eine relativ einfache Netzwerkstruktur, würde ich jetzt so als Anatomin mal sagen. Die bestehen natürlich aus verschiedenen Schichten, aber die haben einen ganz anderen dreidimensionalen Aufbau als das, was wir im Gehirn sehen. Unsere Gehirne sind sehr, sehr redundant, zum Beispiel, ganz viel läuft parallel, oder man kann über Umwege bestimmte Zielgebiete erreichen. Das ist bei neuronalen Netzwerken alles etwas anders, und wir sehen heute zunehmend, dass, wenn wir Erkenntnisse aus der Hirnforschung in die Architektur von solchen künstlichen neuronalen Netzwerken bringen, dann lernen die auf einmal besser, konvergieren schneller zu einer Lösung, und die Lösung ist dann auch besser. Und das sind Fortschritte, von denen ich annehme, dass in den nächsten Jahren die richtig zum Tragen kommen, dass wir also wirklich solche Netzwerk Architekturen besser verstehen und die funktionelle Relevanz von den Architekturen verstehen. Und letztendlich ist das auch wieder gut fürs Verständnis des menschlichen Gehirns, weil wir da natürlich auch Grundprinzipien der Netzwerkstruktur im menschlichen Gehirn besser verstehen, die wir heute nur beschreiben können, aber in ihren kausalen Mechanismen vielleicht noch gar nicht durchdringen können. #00:19:35-0#
Also, ich höre auf jeden Fall raus, KI ist auch für euch ein richtig großes und wichtiges Thema. Du bist Professorin und Direktorin des C und O Instituts für Hirnforschung an der Heinrich Heine Uni in Düsseldorf, du bist Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich, und du bist wissenschaftliche Forschungsdirektorin des europäischen flagships human brain projects. Inzwischen bist du als Teil von mehreren auch international tätigen Forschungsteams. Wie hat sich das entwickelt, und warum ist es auch so wichtig, in der Hirnforschung international zu kooperieren? Du hast vorhin auch mal Frankreich mit den ins Gespräch gebracht, wieso ist es wichtig für euch, international tätig zu sein? #00:20:22-9#
Das Gehirn ist einfach so komplex, so schwierig und auch letztendlich so wichtig für unser Verständnis, wenn ich eben an die Medizin denke und an neurologische und psychiatrische Erkrankungen, dass man sehr schnell feststellt, das geht weit über die Möglichkeiten einer Universität oder eines Landes hinaus, und da war das human brain project eigentlich eine ganz tolle Angelegenheit, weil wir die Möglichkeit hatten, über 19 verschiedene europäische Länder miteinander zu kooperieren, und das ist jetzt auch nichts Besonderes. Forschung, naturwissenschaftliche Forschung insbesondere ist sehr international aufgestellt, und man tut gut daran, wirklich auch mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten, mit dem man also ganz wirksam gute Fragen stellen kann und gemeinsam beantworten kann. Und das human brain projekt hat eben einen Rahmen gegeben, der es uns ermöglicht hat, über zehn Jahre so eine Forschungslandschaft aufzubauen, Kooperationen aufzubauen, und das ist etwas wahnsinnig Spannendes. Aber es ist natürlich auch was sehr, sehr Kompliziertes, weil, weil die Menschen von sehr, sehr unterschiedlichen kulturellen oder wissenschaftlichen Hintergründen kommen, und man muss erst mal miteinander lernen, zu sprechen, zuzuhören, sich zu akzeptieren und dann auch lernen, gemeinsam mit digitalen Werkzeugen wie eben dieser I Brains Infrastruktur, die wir entwickelt haben, umzugehen und eben auch darüber zusammenzuarbeiten. Aber wenn man das tut, dann ist das ein unglaublicher Vorteil, und dann ist das bereichernd und bringt die Forschung viel viel stärker voran, als wenn man versucht, nur für sich alleine zu sitzen oder nur kleinere Kooperationen zu haben und sich darauf beschränkt. Also, für bestimmte Fragen macht es einfach Sinn, diese großen Netzwerke zu entwickeln. #00:22:23-1#
Ich habe es eben gesagt, du bist in verschiedenen internationalen Forschungsteams, du bist auch Mitglied in einigen Gremien und Akademien. Wie erlebst du das als Frau? Also, es gibt ja schließlich immer noch eine sichtbare Unterrepräsentation von Frauen in solchen Gremien. #00:22:42-5#
Das ist unterschiedlich, in welchen Gremien man ist. Ja, es gibt diese Unterschiede. Insbesondere in eher mathematisch, naturwissenschaftlichen Bereichen ist das gerade auf der Ebene von Direktorinnen, Direktoren häufig so, dass das da eher mehr Männer sind als mehr Frauen sind. In anderen Gremien ist das nicht so. Im deutschen Ethikrat war das nicht so. Das hängt also sehr stark von den Gegebenheiten ab. Trotzdem sehe ich natürlich, dass das, was wir auf der Ebene der Studierenden haben, zum Beispiel Medizin, dass da also eher so ein gleiches Verhältnis ist von von Studentinnen und Studenten, dass sich das nach oben nicht durch multipliziert, und da ist immer noch eine Disbalance. #00:23:35-1#
Hast du vielleicht jemals schon mal Diskriminierung in deiner Karriere erlebt als Frau? #00:23:41-6#
Ich habe das zu Beginn meiner Karriere nicht wahrgenommen, überhaupt, ob ich jetzt eine Studentin oder ein Student bin oder wie auch immer, das war kein Thema in den in den ersten Jahren meiner wissenschaftlichen Laufbahn. Später habe ich das durchaus wahrgenommen, nicht unbedingt im Sinne einer Diskriminierung. Aber manche Sachen sind einfach komplizierter, werden schwieriger. Gerade wenn man versucht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, dann merkt man, dass es eben unterschiedliche Aufgabenverteilungen gibt, und das spiegelt sich natürlich dann auch irgendwie in der Art und Weise wieder, wie man vielleicht in bestimmten Abschnitten seines Lebens aktiv sein kann. Letztlich habe ich es nicht... Also ich bin Mutter einer Tochter, die ist erwachsen, hat ihren Weg gemacht. Ich habe das nie als Nachteil empfunden, weil ich weniger Zeit gehabt hätte. Aber in der konkreten Situation kann es natürlich schon ein Problem sein, dass man eben mal nach Hause möchte, weil das Kind vom Kindergarten abgeholt werden muss und man nicht noch bis um sieben im Institut sitzen kann. #00:24:55-5#
Du hast sehr viel erreicht in deiner bisherigen Karriere als Frau in der Wissenschaft. Das darf man an der Stelle einfach auch mal so betonen. Wenn du jetzt mal zurückdenkst, als du angefangen hast zu studieren mit dem Wissen von heute, welchen Rat hast du an dein Jüngeres? #00:25:14-6#
Ich denke, dass es wichtig ist, hartnäckig zu sein, in dem Sinne dranzubleiben. Manche Dinge lassen sich nicht sofort lösen, aber sie lassen sich dann beim nächsten Mal oder beim übernächsten Mal lösen. Ich denke, es ist wichtig, zuversichtlich zu sein in dem Sinne, dass... Ich meine damit keinen falschen Optimismus. Die Dinge werden nicht immer gut oder lösen sich nicht immer einfach, aber einfach das Verständnis zu haben, dass man eine eigene Kraft hat und dass man auch Unterstützung bekommt an ganz vielen Stellen, auch wo man es manchmal nicht denkt und wo man es nicht erwartet hätte, und dann eben trotzdem dranzubleiben an den Dingen, die man für richtig hält oder die einen auch begeistern. Und ich denke, gerade als Wissenschaftlerin ist es wichtig, dass man ein Thema hat, von dem man ganz tief überzeugt ist. Das ist das Richtige. Und wenn ich auf meine eigene Karriere schaue, wenn man mir gesagt hätte, du brauchst 30 Jahre, und dann ist der Atlas immer noch nicht ganz fertig, dann hätte ich vielleicht gesagt: "Oh lieber Himmel, wie soll denn das mal werden in den nächsten Jahren?" Auf der anderen Seite war es eben genau das, was ich machen wollte, und das hat mich eben die ganzen Jahre auch motiviert, und ich denke, das ist jetzt sehr schön. Wenn man zurückblickt, dann kann man sehen: Ach guck, es geht doch wirklich schon in klinische Anwendung rein. Also, es ist jetzt auch nicht nur eine Frage, dass ich etwas neues weiß, etwas besser verstehe, was für sich natürlich schon genommen wichtig ist. Dieser Erkenntnisgewinn ist wichtig, aber dass es eben auch einen Wert, einen Nutzen hat, das war mir auch immer wichtig, am Ende für die Klinik. Ich habe ja Medizin und Biophysik studiert, und dieser medizinische Bereich ist mir schon auch, also ne Herzensangelegenheit, ja! #00:27:00-9#
Das spürt man auf jeden Fall, wenn man mit dir im Gespräch ist. Also zusammenfassend, was du jetzt genannt hast, was wir euch da draußen gerne noch mal an der Stelle mitgeben möchten, weil man es nicht oft genug sagen kann: Bleibt hartnäckig, bleibt zuversichtlich, glaubt an eure eigene Kraft und seid auch bereit, euch Unterstützung zu holen. Ein riesengroßes Dankeschön an Professorin Doktorin Katrin Amunts. Danke, dass du dir heute für uns Zeit genommen hast und uns mit deiner Pionierarbeit am sogenannten Big Brain, inspiriert hast. Vielen, vielen Dank! #00:27:41-9#
Danke für eure Arbeit an dieser Stelle, die ich auch sehr, sehr wichtig finde. #00:27:46-9#
Danke dir. Ja und für weitere Inspirationen surft gerne mal auf unserer Seite www.innovative-Frauen.de vorbei. Das ist das, was Katrin eben schon angesprochen hat. Das ist das, was wir so machen. Und wenn ihr Fragen habt oder Ideen dazu, setzt euch einfach mit uns in Verbindung. Wir freuen uns immer über jede Kontaktaufnahme, und wenn euch die heutige Folge gefallen hat, würden wir uns natürlich auch sehr über ein paar Sterne freuen in der Bewertung. Wir hören uns wieder beim nächsten Forscherinnen Freitag. Bis dahin, lasst es euch gut gehen! #00:28:22-9#
Wir hoffen, dass euch die Folge gefallen hat. Auf unserer Plattform innovative-Frauen.de findet ihr weitere spannende Inhalte. Schaut auch gerne mal vorbei. Habt ihr Fragen oder Wünsche? Dann schreibt uns an Podcast@innovative-Frauen.de. Ihr findet uns auch bei Instagram, Twitter, YouTube und LinkedIn. Und eine Info zum Schluss für die Transparenz. Die Plattform #innovativeFrauen wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderrichtlinie "Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation, Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern" unter dem Förderkennzeichen 01FP21070 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Kompetenzzentrum Technik, Diversity, Chancengleichheit eV. #00:29:15-9#
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