Biophysik: Die kleinste Zelle und der Sinn des Lebens mit Petra Schwille

Shownotes

In der heutigen Folge #ForscherinnenFreitag geht es auch ein bisschen philosophisch zu: Unsere Interviewgästin Prof'in Dr'in Petra Schwille hat sich schon als Kind mit den großen Fragen des Lebens beschäftigt und sich gefragt: Warum leben wir, was machen wir hier auf der Welt und haben wir eigentlich einen Sinn? Deswegen hat sie sich entschieden, neben der Physik auch noch Philosophie zu studieren. Sie ist Direktorin der Forschungsabteilung „Zelluläre und molekulare Biophysik“ des Max-Planck-Instituts für Biochemie. Sie forscht an der Konstruktion minimaler Zellen und hat es sich mit ihrer Forschungsabteilung zum Ziel gesetzt, ein Modell der allerersten Zelle zu bauen.

Wir sprechen mit ihr über

  • den Sinn des Lebens
  • wie es ist einen Preis wie die Otto-Warburg-Medaille entgegenzunehmen
  • welchen Rat sie für Physik-Studierende hat
  • den Ursprung des Lebens
  • was es braucht, um die kleinste biologische Zelle nachbauen zu können
  • wie Leben eigentlich funktioniert

➡️ Über unsere Plattform #InnovativeFrauen könnt ihr euch mit Petra vernetzen, außerdem ist sie offen für Anfragen als Rednerin und Mentorin oder für Medienanfragen: Profil von Prof'in Dr'in Petra Schwille

Max Planck Institute of Biochemistry

In dieser Folge haben wir auch wieder eine Podcast-Empfehlung für euch: "(K)eine von vielen" - Der Podcast des Forschungsprojekts Westfälische Erfinderinnen der Westfälischen Hochschule mit Luisa Pfeiffenschneider stellt euch jeden ersten Montag im Monat eine Frau vor, die Innovatives geleistet hat. Also egal ob Forscherinnen, Gründerinnen, Spezialistin in der Wirtschaft oder auch Initiatorinnen in sozialen Bereichen, diese Expertin zeigen, Innovation hat kein Geschlecht. Sie machen sich als Vorbilder sichtbar, frei nach dem Motto also, wenn ich das schaffe, dann schaffst du das alles auch. Hört da unbedingt mal rein(K)eine von Vielen

Fragen oder Anmerkungen? Schreibt uns gerne: podcast@innovative-frauen.de Plattform #InnovativeFrauen Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. Förderrichtlinie „Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation: Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern“

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#ForscherinnenFreitag mit Prof’in Dr’in Petra Schwille

Intro/ Outro: Forscherinnen Freitag, der Interview Podcast mit innovativen Frauen aus der Wissenschaft. #00:00:13-9#

Sandra Fleckenstein: Es ist wieder Forscherinnen Freitag, deshalb lehnt euch zurück und lasst euch inspirieren! Mein Name ist Sandra Fleckenstein, und ich gehe heute der großen Frage nach, was ist der Ursprung des Lebens? Dafür habe ich eine innovative Frau eingeladen, die als Biophysikerin am Max-Plank-Institut arbeitet und gerade versucht, ein Modell der allerersten Zelle zu bauen. Herzlich willkommen, Professorin, Doktorin Petra Schwille! Hallo Petra, schön, dass du da bist, Petra, als Einstieg. Magst du dich mal mit drei Hashtags beschreiben. #00:00:55-6#

Petra Schwille: Ach, du liebes bisschen, das heißt meine Persönlichkeit oder meine Forschung? #00:01:00-8#

Sandra Fleckenstein: Was auch immer du mit uns teilen möchtest, im besten Fall ist da natürlich auch was von deiner Forschung mit dabei. #00:01:07-0#

Petra Schwille: Neugierig, ungeduldig, effizient. #00:01:12-5#

Sandra Fleckenstein: Okay, super, vielen Dank für dieses erste Kennenlernen, den ersten Eindruck von dir, und bei so einer großen Frage, wie ich sie ja gerade schon anmoderiert habe, halte ich es für sinnvoll, wenn wir uns dem Thema vielleicht Step bei Step nähern. Also meine allererste Frage an dich, was ist denn überhaupt Leben? #00:01:31-4#

Petra Schwille: Ja, das ist ziemlich genau die Frage, die mich zu meiner Forschung motiviert. Ich weiß es nämlich nicht. Wir können Leben eigentlich immer nur dann wahrnehmen, wenn es uns schon entgegenkommt. Also, es gibt keine bindende Definition. Jedenfalls es gibt sehr viele Kriterien, was Leben können muss, aber es gibt jetzt nicht das eine, die eine Erscheinungsform, die man irgendwie so messen kann, dass die Antwort ja oder nein wäre. Ich selber komme ja eigentlich aus der Physik und bin gewohnt, dass man präzise messen kann, und genau das geht beim Leben nicht. Also man kann natürlich vieles am Leben messen, aber ob es lebt oder nicht, das kann man nicht messen. #00:02:15-5#

Sandra Fleckenstein: Also, die große Frage bleibt tatsächlich erstmal groß im Raum stehen, und wenn wir über das Leben nachdenken, dann sind wir ja, oder du auch in deiner Arbeit. Sind wir schnell beim Ursprung des Lebens. Kannst du da, uns ein bisschen was zu erzählen? Was ist der Ursprung des Lebens? #00:02:32-6#

Petra Schwille: Das ist genauso schwierig zu beantworten wie die Frage, was Leben überhaupt ist. Und es ist tatsächlich auch so, dass ich an dem tatsächlichen historischen Ursprung, den auch viele Leute sehr interessant finden und zu dem sehr viel geforscht wird, eigentlich schon seit sehr langer Zeit gar nicht so fürchterlich interessiert bin, weil wir die Bedingungen unter den das Leben mal erst entstanden ist, ob das überhaupt auf der Erde passiert ist oder irgendwo im Weltall, nur ansatzweise kennen. Und was mich viel mehr interessiert, ist die Frage, wie könnte Leben entstehen? Und da ich wirklich, das hat mir ja in meiner ersten Antwort auch schon gemerkt, sehr gerne esse und sozusagen der Messung ein bisschen mehr glaube als der Spekulation, versuche ich, im Labor Bedingungen herzustellen, sodass ein chemisches System... Ich denke, das ist etwas, was das Leben wirklich, was es auszeichnet, dass es eine biochemische Suppe von Molekülen ist, die sich so organisiert, dass das, was da passiert, dass das diese Organisationsform, die meistens und auch per Definition immer eine Zelle ist, dass die anfängt, Eigenschaften zu haben, die die Moleküle selber so nicht haben. Das nennt man Emergenz. Also, dieses Phänomen entwickelt sich zu einer höheren Organisationsform, und der Vorgang, der Prozess dieser Emergenz, also dass die Moleküle plötzlich aufhören, sozusagen einfach nur Moleküle zu sein und sich zu etwas organisieren, was wirklich lebt, der muss ja mal stattgefunden haben, da sind wir uns ja alle einig, und da er einmal stattgefunden hat, wo auch immer das war, müsste er eigentlich auch noch mal stattfinden können, und das würde ich gerne sehen. Also, ich würde gerne Bedingungen herstellen, unter denen das passieren kann. #00:04:26-0#

Sandra Fleckenstein: Okay, da sind wir ja auch schon direkt bei deiner Forschung, hast du die Überleitung schon für mich quasi gemacht, danke dafür. Und dann sind wir auch schnell bei der kleinsten Zelle. Und wie ist denn so eine Zelle aufgebaut, und beziehungsweise was braucht es, um so die kleinste Zelle wirklich dann auch bauen zu können? #00:04:49-4#

Petra Schwille: Also, das Gute ist ja, wir lernen ja von existierendem Leben, wie es aussieht, was es so tut, und es gibt so ein paar Kriterien, die jedes Leben erfüllt. Jedes Leben hat einen sogenannten Stoffwechsel. Das heißt, dass Moleküle andauernd durch andere Moleküle ausgetauscht werden, also dass auch neue Moleküle zusammengebaut werden unter Energieaufnahme. Leben braucht Energie, das wissen wir im Moment besser als je zuvor, und auch der Beginn des Lebens braucht Energie. Ohne Energie geht gar nichts. Die Energie kann entweder durch Sonnenlicht, sozusagen, diese Reaktionen antreiben, oder eben durch Aufnahme von Nährstoffen. Also in unserem Körper sind es eben diese beliebten Proteine, also Eiweiße Kohlenhydrate, Fette, und was ein lebendes System macht, was die Zelle macht. Sie nimmt diese Stoffe auf, zerteilt sie und baut neue Stoffe daraus auf, und das passiert andauernd. Also es gibt ja diesen berühmten Spruch, dass wir uns alle sieben Jahre einmal komplett erneuern. Das ist erstaunlich, dass das gelingt. Wir bleiben uns ja irgendwie trotzdem gleich, und diesen Prozess der Selbsterneuerung, den nennt man Stoffwechsel oder Metabolismus, was das Leben auch braucht, das ist eine Information, die angibt, was es eigentlich selber ist. Also, das ist sozusagen sowas...Bewusstsein würd ich es nicht nennen. Aber so was wie eine Identität hat, das ist hinreichend bekannt. Welche Moleküle das sind, das ist die DNA, also sozusagen unser Erb Molekül. Und dann braucht es aber auch, und das ist eben der Teil, der mich am meisten interessiert, eine Hülle, also diese ganze Suppe aus Biomolekülen muss ja irgendwie verpackt sein, und die Verpackung, die besteht aus Fetten, aus Lipiden. Im Grunde muss man sich das so vorstellen wie so kleine Seifenblasen unter Wasser. Jetzt nicht Seife, sondern andere Fette also oder andere Moleküle, die aber ähnliche Eigenschaften haben. Und diese Membranen, die sich aus diesen Lipiden bilden, sind unglaublich faszinierend, denn die sind dicht für alles, was da so rumschwimmt, außer für das, was wirklich essenziell ist, also nämlich Wasser, das Wasser hin und her kann und auch Ionen. Aber die halten eben dieses Identitäts-Molekül, überhaupt die Reaktions, Mischung, die das Leben ausmacht, drinnen und sorgen dafür, dass es sich nicht verdünnt, dass es nicht einfach davonschwimmt. Also DNA im Ozean wird nicht weit kommen, und was eben auch passiert, und dass es eben das, was mich auch fasziniert. Das Leben repliziert sich, das macht sich komplett neu. Diese Zellen teilen sich und machen Tochterzellen, und das passiert unentwegt und nur deswegen, weil es nicht immer eine einzige Zelle ist, die sozusagen immer dieselbe bleibt, sondern weil die sich auch teilt und neue Zellen bildet, kann dieser große, mysteriöse Prozess der Evolution stattfinden, der uns im Grunde zu dem gemacht hat, was wir sind, von der Urzelle, die wir nicht mehr kennen. #00:08:13-5#

Sandra Fleckenstein: Also was genau ist jetzt deine Innovation, an der du arbeitest? Vielleicht auch, wenn wir uns vorstellen, dass du versuchst, mal das einem fünfjährigen Kind zu erklären? Was forscht du da konkret? #00:08:26-9#

Petra Schwille: Wir forschen tatsächlich konkret an der Frage, wie kann denn Zellteilung, diese Teilung eines, wenn man so will, mit Membranbläschen, also einer Seifenblase? Wie kann die eigentlich gelingen, dass es kontrolliert passiert, dass es unter Energieaufnahme passiert und dass all das, was da drin ist, auch tatsächlich in den Tochterzellen landet? Also, es ist im Grunde ja ein mechanischer Prozess, den man, wenn man Zellen unter Mikroskop anschaut, sehr schön sehen kann. Also, da müssen Kräfte wirken. Das interessiert mich als Physikerin natürlich besonders. Wo kommen die Kräfte her? Wer übt die aus? Wie groß müssen die Kräfte sein? In unseren menschlichen Zellen oder überhaupt in Zellen aller Art sind es sogenannte Protein Moleküle, also Eiweißmoleküle, die eigentlich das ganze Leben ausmachen, die alle Funktionen, die fast alle Funktionen, die die Zelle hat, definieren, und in allen Zellen machen bestimmte Proteine in jeder Zelle ein anderes, eine andere Art diesen Job. Das sind nämlich die Zelle teilen, und wir versuchen jetzt rauszufinden, was müssen die können. Wie könnte die kleinste Community dieser Proteine aussehen, die sowas schafft, und das versuchen wir nachzubauen. Also, wir haben da natürlich ein paar Ideen, wie sie aussehen könnte. Es gibt solche Proteine, wie gesagt, in vielen Organismen menschlichen Zellen sind sehr viel kompliziertere Systeme als zum Beispiel in Bakterienzellen, sodass wir mit Bakterienzellen anfangen und sagen, die sind eben sehr viel weniger kompliziert, immer noch viel zu kompliziert, eigentlich aber sehr viel weniger kompliziert als höhere Zellen. Also mit Zellkern wie unsere, und wir versuchen jetzt sozusagen die Moleküle, die das in Bakterienzellen übernehmen, diesen Job der Teilung, die rauszuholen aus den Bakterienzellen und in unsere Membran Bläschen reinzustecken und zu gucken. Schaffen die es da auch, oder fehlt denen was? #00:10:32-7#

Sandra Fleckenstein: Und da seid ihr so federführend auf dem Gebiet. #00:10:37-6#

Petra Schwille: In dem speziellen Gebiet, ja, man ist als Forscher eigentlich immer Teil einer sehr, sehr großen Community, und natürlich in den Biowissenschaften muss man sagen, ist diese Art der Forschung eher eine Nischen Frage, denn man kann damit keine Krankheiten heilen. Erstmal, jedenfalls auf lange Sicht wird es wahrscheinlich nicht gelingen, wir unterhalten uns ja über Systeme, die viel, viel weniger komplex sind als unsere Körperzellen. Aber die Physiker und Chemiker interessieren sich sehr stark für diese Frage und immer mehr davon. Und diese sogenannte Rekonstitution, dass man wirklich versucht, einfachste Prozesse oder einfachste Systeme, die Lebensfunktionen haben, nachzubauen, die ist tatsächlich im Kommen, und da war unsere Gruppe eine der ersten in Deutschland, die genau diese Frage beantwortet hat. Mittlerweile sind wir, glücklicherweise, denn Forschung kann ja nur im Austausch, auch ein bisschen in der Konkurrenz gelingen. Mittlerweile sind jetzt ja viele Leute da dran und auch andere Gruppen, machen ganz, ganz tolle Arbeit da. #00:11:40-2#

Sandra Fleckenstein: Du sagst gerade, das ist jetzt alles im Kommen und wird irgendwie größer. Die Forschungskommunity wird größer. Wie siehst du denn die Zukunft der, man nennt es ja auch diese synthetische Biologie minimaler Systeme, wie siehst du die Zukunft davon und auch ihre potenziellen Anwendungen in verschiedenen Bereichen? Also was sind da eure Ziele? Mal abgesehen von dem, wir wollen verstehen, wie Leben entstehen könnte. #00:12:07-3#

Petra Schwille: Also, die synthetische Biologie ist ja im Grunde Riesengebiet. Die hat sich ursprünglich aus der Biotechnologie entwickelt, in der, wenn man so will, ingenieurwissenschaftlichen Betrachtung oder immer die Biowissenschaft oder die Biotechnologie ist ja selbst auch eine Ingenieurwissenschaft ab die die Einsicht oder der Grundgedanke der synthetischen Biologie ist, dass man jedes biologische System in Module zerlegen kann, wie ein elektronisches Gerät, in elektronische Bauteile, und das, wenn man das kann und versteht, was die einzelnen Bauteile machen, dann kann man die im Grunde völlig neu zusammensetzen und völlig neue Zellen mit völlig neuen Eigenschaften bauen, was natürlich für die Biotechnologie großes, ein großes Ziel ist. Also, wir wünschen uns alle, dass Medikamente hergestellt werden, dass Waschmittel hergestellt werden, dass Materialien, vielleicht sogar Energie hergestellt wird, idealerweise mit lebenden Systemen, die keine Umweltschäden hervorbringen, die irgendwie resistent, resilient oder irgendwie zyklisch sind. Also es wäre schön, wenn wir viele unserer Stoffe, die wir so herstellen, nicht in Hochöfen oder irgendwelchen schmutzigen Industrien herstellen können, sondern mit der Hilfe von Bio Systemen, also mit Bakterien oder Hefen oder Pilzen, und es wird ja auch schon weitgehend gemacht. Und je mehr man so ein Sytsem versteht und je mehr man das in seine Bestandteile zerlegen kann, desto mehr kann man theoretisch jedenfalls neues entwickeln, also völlig neue Anwendungen der Biotechnologie in Bereichen, die wir sonst im Moment noch gar nicht auf dem Schirm haben. Also, es ist eine große Hoffnung, die ich mit vielen, vielen anderen teile. Meine Nische in der Frage ist tatsächlich die Frage: Können wir diese Art von Forschung auch betreiben, um zu verstehen, was eigentlich die minimale Repräsentation einer Zelle ist? Also, ich bin sozusagen in einem großen Kontext eingebettet, auf der Grundlagen wissenschaftlichen Seite des ganzen. #00:14:05-2#

Sandra Fleckenstein: Und wenn du von großem Kontext sprichst, sprechen wir dann auch von, du hast es eben so angedeutet, von interdisziplinären zusammenarbeiten, also dass es nicht nur Biophysiker sind, sondern vielleicht auch Biologen, Chemiker, wie seid ihr da aufgestellt? #00:14:24-8#

Petra Schwille: Also in den Biowissenschaften generell ist es hoch interdisziplinär. Schon allein die ganze Methodik, die die Biowissenschaften so katapultiert hat, wenn man so will. Zu den, zu den enormen Einsichten kommt ja ganz wesentlich aus der Physik und der Chemie, also die ganzen mikroskopischen Methoden. Was jetzt kommt, die ganze Revolution, künstliches lernen. Wie gehen wir mit den Daten um? Wie können wir diese massiven Informationen, die wir jetzt in den letzten 50 Jahren über biologische Systeme gewonnen haben, wie können die Behaupt ordnen? Also ein menschliches Hirn schafft das gar nicht. Das schafft wirklich nur ein Computer, den wir sinnvoll ausbilden, den wirnatürlich das beibringen müssen, wie er damit umgeht. Also ich würde sagen, unsere Forschung ist ähnlich interdisziplinär wie die Biowissenschaften generell. #00:15:13-0#

Sandra Fleckenstein: Okay, und welche Herausforderungen hast du derzeit in deiner Forschung, oder welche konkreten Fragen interessieren dich vielleicht gerade zur Zeit am meisten jetzt im Bereich eben der synthetischen Biologie minimaler Systeme? #00:15:26-8#

Petra Schwille: Also, die größte Herausforderung ist tatsächlich, dass diese alte Idee, die ist vieleicht 20, 30 Jahre alt, dass man biologische Systeme tatsächlich in Module zerlegen kann, und genau hat ja das vor Augen, wie das mit so elektronischen Bestandteilen, Bauteilen ist. Wenn, wenn man elektronisches Bauteil auseinander nimmt und die einzelnen Teile widerständig, Kondensatoren, was auch immer da drin ist, zusammenbaut zu einem neuen System, dann funktioniert dieses neue System normalerweise genauso gut. Das ist leider in der Biologie überhaupt gar nicht so. Wenn man irgendwas rausnimmt aus der Zelle, dann ist es erst mal schwer, die Frage, ob das außerhalb der Zelle oder in einer anderen Zelle oder überhaupt irgendwo funktioniert. Diese Proteine, von denen ich geredet habe, die Hauptplayer in der Biologie, also, die sozusagen alle Funktionen in Zellen übernehmen. Man hatte so ein bisschen die naive Hoffnung, wir haben eine Funktion, das kann man ja machen, damit befasst sich ja die Molekularbiologie auch seit Jahrzehnten rauszufinden, was können die? Was machen die? Das passiert normalerweise mit, dass man die dann ausnkockt, dass man die rausnimmt und guckt, was kann die Zelle nicht mehr, und wir wissen sehr viel darüber, was die Funktion dieser Proteine ist. Aber das heißt nicht, dass wir tatsächlich sagen können, dieses Protein macht immer das, sobald der Kontext anders ist, macht das was ganz anderes oder macht gar nichts mehr. Das heißt, diese Modularisierung, die in den Ingenieurwissenschaften wunderbar funktioniert, funktioniert in der Biologie leider ganz schlecht, und wir hoffen alle, dass durch diese künstliche Lernen, durch die künstliche Intelligenz wir tatsächlich vielleicht der Sache ein bisschen näher kommen. Wir brauchen einfach noch mehr Informationen, nicht nur über das Modul selber, sondern auch seinen Kontext, um zu sagen, so funktioniert das. #00:17:17-3#

Sandra Fleckenstein: Also, ich halte mal fest, künstliche Intelligenz ist für euch auf jeden Fall ein wichtiges Thema jetzt. #00:17:23-9#

Petra Schwille: Eine große Hoffnung tatsächlich! Also, ich kann nicht sagen, dass ich da schon sehr viel gemacht habe. Ich mein, wir nähern uns da vorsichtig an. Unsere Gruppe jetzt, Vieleicht weniger stark als andere, die jetzt ganz konkrete Fragen schon haben. Aber ich glaube tatsächlich, vieles können wir nur mit der Hilfe künstlicher Intelligenz ein Verständnis Zusammenhang bringen, weil die Wechselwirkungen zwischen Molekülen in Zellen eben so wahnsinnig kompliziert. #00:17:48-0#

Sandra Fleckenstein: Das finde ich total interessant, weil natürlich KI ist ja gerade überall ein riesiges Thema, und es gibt natürlich auch Branchen, die das sehr kritisch sehen, und jetzt mit dir zu sprechen und wirklich auch zu hören für dein Forschungsfeld. Es ist wirklich eine große Hoffnung. Das finde ich gerade sehr interessant. Ich könnte mir vorstellen, dass Menschen, wenn die jetzt von synthetischer Biologie hören und Zellen nachbauen und vielleicht auch die Hoffnung auf Ki und so weiter, wenn man diese Worte hört, dass man da schnell vielleicht auch an den Bereich des Klonens denkt. Ist das jetzt total abwegig, oder gibt es da schon auch Berührungspunkte? #00:18:31-3#

Petra Schwille: Also, das Klonen hat ja jetzt Ziel, höhere Organismen zu entwickeln. Kein Mensch auf der Welt interessiert sich daran, Bakterium zu verändern. Ja, gut, es gibt natürlich die Frage, Bakterien so zu verändern, dass sie was taugen, was die anderen nicht können, das ist ganz klar. Aber Klonen ist tatsächlich was dafür. Die Schwierigkeiten auf einer anderen Ebene an und die ethischen Bedenken auch. Was wir wollen, ist im Grunde ein minimales, lebensfähiges System schaffen, und da habe ich ja vorher schon erwähnt, die Evolution wirkt ja auf unserer Erde ungefähr seit 3,5 Milliarden Jahren. In dieser Zeit hat sich das Leben auf der Erde ausgerüstet mit allen möglichen Verteidigungs-Mechanismen. Wenn es tatsächlich hypothetisch so wäre, und es hat sogar Charles Darwin schon so formuliert, dass ein irgendwie unbedarftes Leben sozusagen neu in irgendeinem Tümpel sich zusammensetzt, dann wird es aufgefressen. Das hätte überhaupt keine Chance gegen das Leben, das es gibt auf der Welt. Das heißt die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Art der Forschung, die wir machen, irgendwas Gefährliches entsteht, was uns bedroht, die ist absolut minimal. Das sind völlig ungestört schützte, völlig unbedarfte Systeme, die können überhaupt nur, wenn überhaupt, Existieren in einem sehr geschützten und sehr gut kontrollierten Zusammenhang oder Kontext, wenn überhaupt. #00:19:56-6#

Sandra Fleckenstein: Danke da für deine Einblicke. Du hast das vorhin mal kurz in einem Nebensatz erwähnt. Du hast ja Physik studiert, und zwar hast du nicht nur Physik studiert, sondern auch Philosophie. Hat deine Suche nach der minimalsten kleinsten Zelle vielleicht auch einen philosophischen Hintergrund? #00:20:16-6#

Petra Schwille: Ganz sicherlich also, ich habe generell ein irgendwie sehr breites Interesse an Fragestellungen, die die Physik, die Naturwissenschaften auch gar nicht mehr abdeckt, weil wir sind ja bescheiden. Wir reden ja nur über Dinge, die wir tatsächlich mathematisch vor mir können oder beschreiben können und die man, die man sozusagen objektiv mitteilen kann, die Suche nach dem Ursprung des Lebens. Und dann kommen wir ja ganz schnell auch zu der Frage nach dem Sinn des Lebens, die eigentlich hinter allem irgendwie steckt und möglicherweise gar nicht so abwegig ist. Also, man sollte nicht so tun, als wäre das wirklich nur eine rein religiöse Frage, denn es ist ja ganz zweifellos irgendeine Richtung in der Welt, die das Leben so einnimmt. Das können wir einfach beobachten. Die Evolution ist sozusagen der Treiber dieser Richtung, und da kann man schon auf die Idee kommen zu fragen, was ist denn das eigentlich? Wo kommt denn hier eine Richtung her, das das Leben hat, Unumkehrbarkeit? Ich meine, alles in der Welt ist umkehrbar. Urknall ist in gewisser Weise auch umkehrbar, oder beziehungsweise, wenn überhaupt, dann bewegt sich das Ganze in sehr, sehr großen Zyklen. Aber es ist ein Phänomen, das es messbar und beschreibbar ist, dass wir nicht richtig erklären können, und das hat natürlich schon so ne sozusagen ne spekulative Note, und ich denke, es ist wichtig, die beiden Bereiche gut zu trennen und zu sagen, hier an der Stelle spricht jetzt wirklich der oder die Naturwissenschaftlerin, und an der anderen Seite, da machen wir uns eben Gedanken, wie das alles eigentlich zusammenhängt, und das finde ich in der Philosophie eigentlich am Besten. Da ist Philosophie eigentlich der beste Rahmen, um das zu tun. #00:21:58-0#

Sandra Fleckenstein: Also habe ich dich schon richtig verstanden, dass du dein Antreiber für deine Forschungsarbeit und auch, wie du auf die Idee gekommen bist, jetzt konkret an deine Innovation zu forschen, sind, wirklich diese großen Lebensfragen? #00:22:11-4#

Petra Schwille: Absolut . Also das war schon, als ich Kind war, habe ich mir nur diese Gedanken gemacht. Warum leben wir, was machen wir hier auf der Welt, und hat das alles irgendwie..? Haben wir einen Sinn? Haben wir eine Richtung? Und das ist einfach sehr klar, wenn man Naturwissenschaften studiert, da kommen diese Fragen aus gutem Grund überhaupt gar nicht vor, und das hat mich ein bisschen gestört. Deswegen habe ich gesagt, jetzt mache ich noch Philosophie. #00:22:35-4#

Sandra Fleckenstein: Okay, und hast du das Gefühl, du konntest schon zumindest kleine Teilfragen dieser großen Fragen für dich beantworten? #00:22:43-5#

Petra Schwille: Hm, nicht wirklich, Das Einzige, was ich beantworten kann, ist, dass es einen guten Grund für diese Fragen gibt und dass die Naturwissenschaften gut daran tun, sich diese Fragen so weit wie möglich vom Leib zu halten, es sei denn, es kommen wirklich neue Einsichten auf, und da denke ich schon, dass diese Gerichtetheit des Prozesses etwas ist, das wir naturwissenschaftlich noch etwas besser formulieren und verstehen können. Da bin ich durchaus der Meinung, da haben wir noch ein bisschen was zu lernen und auch wirklich mit mit ganz, sozusagen traditionellen und auch gut etablierten theoretischen Modellen. Ich vergleiche das ganz gern mit der Entropie, die.... Es war ja sehr, sehr lange überhaupt nicht klar, was das eigentlich ist, und da gab es eben durch Bolzmann und die Zeitgenossen gab es einen wirklich Durchbruch in dem Verständnis und auch einen theoretischen Durchbruch, einen wirklich wissenschaftlich sauberen Durchbruch in der Frage: Warum geht eigentlich alles immer in Unordnung? Wie läuft es denn? Warum bleibt das Zeug nicht einfach, wenn wir unser Zimmer aufräumen, warum bleibt das nicht einfach ordentlich? Also, das ist jetzt natürlich sehr flapsig formuliert. Aber es ist tatsächlich die Frage, warum muss ich eigentlich immer alles in Unordnung versetzen? Warum können Moleküle, die wir auf eine Seite sortieren? Warum könnt ihr da nicht einfach bleiben? Warum vermischen die sich? Das ist ja, was, was leben kann, dieses entmischen. #00:24:10-4#

Sandra Fleckenstein: Das ist wohl wahr. Ich suche gerade nach Beispielen aus meinem Leben. #00:24:17-2#

Petra Schwille: Um da zurückzukommen, da hat die Physik tatsächlich oder physikalische Chemie tatsächlich Großes geleistet in dem Verständnis dieses Phänomens, und ich denke, das kann tatsächlich auch in der Frage gelingen, warum eigentlich alles, was Leben ist, irgendwie so ein, so ein Richtungspfeil hat. #00:24:35-4#

Sandra Fleckenstein: Also ist quasi jetzt, zumindest in deinem Fall, korrigiere mich gerne, wenn ich falsch liege, ist der Sinn des Lebens, den Sinn des Lebens herauszufinden. #00:24:45-3#

Petra Schwille: Ganz genau so sagen, ganz genau, das würde ich sagen. Deswegen gibt es uns Menschen. #00:24:50-4#

Sandra Fleckenstein: Wirklich sehr spannend, wahnsinnig inspirierend und für deine Innovationen und deine innovativen Forschungsergebnisse. Da hast du ja durchaus auch schon so ein paar Preise abgesahnt und sage ich jetzt auch mal so flapsig. Wie hat sich das angefühlt, so renommierte Auszeichnungen wie die Otto Warburg Medallie, den Leibniz Preis und dem bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst zu erhalten? Was hat das für ne Bedeutung für dich als Forscherin? #00:25:21-1#

Petra Schwille: Also natürlich freut man sich unglaublich, und eigentlich ist man auch immer so ein bisschen beschämt und denkt, oh, wie komme ich jetzt dazu? Denn es ist einfach, das ist ja bekanntermaßen so. Auch beim Nobelpreis verdienen ihnen sehr viel mehr Leute, als ihn bekommen, und es ist mit allen Preisen so. Und natürlich freut man sich, wenn man zu denen gehört, die dann tatsächlich auch mal gewählt werden, und ärgert sich vielleicht, wenn mal einer an jemand geht, wenn man sagt,der ist nicht besser als ich. Aber es ist, wenn wir sagen, das ist eine schöne Begleiterscheinung, aber es ist nicht das, was mich antreibt, wirklich nicht. #00:25:56-7#

Sandra Fleckenstein: Gut, Petra, jetzt kommt die traurige Nachricht. Wir sind am Ende der Sendung schon angekommen, die Zeit ist wieder verflogen. Ich könnte wirklich sehr gerne gerade über diese philosophischen Themen jetzt mit dir noch sehr lange weiterreden, und vor allen Dingen auch diese Kombination aus Physik und Philosophie finde ich wirklich sehr inspirierend. #00:26:21-4#

Petra Schwille: Wobei finde ich total nett, dass du das sagst, aber ich bin natürlich keine Philosophin, also ich habe in diesen Fragen Interesse und halte mir das so ein bisschen als ein geistiges Gym. #00:26:33-9#

Sandra Fleckenstein: Inspirationsquelle, da sind wir wieder im Bereich der Inspiration, und du hast ja jetzt schon wirklich wahnsinnig viel erreicht, auch in deiner Karriere, hab gerade so paar Preise angesprochen. Das ist ja nur ein ganz kleiner Teil. Wenn du jetzt aus heutiger Sicht zurückblickst auf die Petra, die gerade am Anfang von ihrem ersten Studium steht, was möchtest du der mit auf den Weg geben? Was weißt du heute, was du damals wirklich hättest gut gebrauchen können? #00:27:02-8#

Petra Schwille: Also, ich hatte immer so ein Glück in meinem Bauchentscheidungen, dass ich der eigentlich gar nicht viel sagen würde, denn die hat es irgendwie richtig gemacht. #00:27:10-5#

Sandra Fleckenstein: Aber vielleicht ist es das ja genau schon, dass sie auf ihren Bauch, auf ihre Intuition vertrauen darf. #00:27:16-8#

Petra Schwille: Ja, ja, tatsächlich und manchmal nicht zu schnell die Flinte ins Korn werfen. Das gilt insbesondere für Physikstudenten und Studentinnen. Das ist einfach ein hartes Brot. #00:27:27-6#

Sandra Fleckenstein: Ja, vielen Dank für dein Empowerment an der Stelle. Vielen Dank an Professorin Doktorin Petra Schwille für die Einblicke in deine innovativen Forschung. Sehr spannendes Thema mit sehr großen Fragen, die uns alle wahrscheinlich auch noch lange beschäftigen werden, und ja, das waren sie, meine großen Fragen rund um die kleinste Zelle. Ich denke, wir haben auf jeden Fall einiges neues gelernt über das Leben. Danke dir, Petra, für deine Zeit. Und wenn ihr jetzt die Zeit bis zum nächsten Forscherinnen Freitag nicht abwarten könnt, was ich natürlich gut verstehen könnte, dann haben wir mal wieder eine Podcast Empfehlung für euch: Keine von vielen. Der Podcast des Forschungsprojekts westfälische Erfinderinnen der westfälischen Hochschule mit Louisa Pfeifenschneider stellt euch jeden ersten Montag im Monat eine Frau vor, die Innovatives geleistet hat. Also egal ob Forscherinnen, Gründerinnen, Spezialistin in der Wirtschaft oder auch Initiatorinnen in sozialen Bereichen, diese Expertin zeigen, Innovation hat kein Geschlecht. Sie machen sich als Vorbilder sichtbar, frei nach dem Motto also, wenn ich das schaffe, dann schaffst du das alles auch. Hört da unbedingt mal rein! Wir verlinken euch das Projekt natürlich in den Shownotes. #00:28:55-0#

Intro/ Outro: Wir hoffen, dass euch die Folge gefallen hat. Auf unserer Plattform innovative-Frauen.de Punkte findet ihr weitere spannende Inhalte. Schaut auch gerne mal vorbei. Habt ihr Fragen oder Wünsche? Dann schreibt uns an Podcast@innovative-Frauen.de. Ihr findet uns auch bei Instagram, Twitter, YouTube und LinkedIn. Und eine Info zum Schluss für die Transparenz. Die Plattform hat innovative Frauen wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderrichtlinie Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation in Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern unter dem Förder Kennzeichen 01FP21070 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Kompetenzzentrum Technik, Diversity, Chancengleichheit ev. #00:29:47-5#

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