Isabel Rink: Was ist Leichte Sprache

Shownotes

Sprache kann Menschen einschließen oder ausgrenzen: In dieser Folge #ForscherinnenFreitag sprechen wir mit Dr‘in Isabel Rink über barrierefreie Kommunikation und die Bedeutung von Leichter Sprache. Sie ist Geschäftsführerin der Forschungsstelle Leichte Sprache an der Universität Hildesheim und hat den Hildesheimer Barriereindex mitentwickelt, der Textschaffenden zeigt, wie sie Texte und Informationen im Sinne des Universal Designs für möglichst viele Menschen aufbereiten können.

Welche Bereiche besonders viel Potenzial für die Anwendung von Leichter Sprache bieten, wie sie dazu gekommen ist, in Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Rundfunk eine Nachrichtensendung in Leichter Sprache zu etablieren und welchen Herausforderungen sie als Frau im Hochschulapparat begegnet ist, das erzählt sie im Interview.

➡️ Zum Beispiel Apotheken Umschau: Ratgeber in Einfacher Sprache

➡️ NDR-Nachrichten in Leichter Sprache

Über unsere Plattform #InnovativeFrauen könnt ihr euch mit Isabel vernetzen, außerdem ist sie offen für Interviews und Anfragen als Rednerin, Mentorin oder zur aktiven Vernetzung:

➡️Profil von Dr’in Isabel Rink

Fragen oder Anmerkungen? Schreibt uns gerne: podcast@innovative-frauen.de Plattform #InnovativeFrauen Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. Förderrichtlinie „Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation: Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern“

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00: 00:09Intro/ Outro: Forscherinnen Freitag, der Interview Podcast mit innovativen Frauen aus der Wissenschaft.

00: 00:15Sandra Fleckenstein: Herzlich willkommen zum Interview Podcast Forscherinnen Freitag von und mit innovativen Frauen. Mein Name ist Sandra Fleckenstein, und ich bin heute mit Doktorin Isabel Rink im Gespräch. Sie ist Geschäftsführerin der Forschungsstelle leichte Sprache an der Universität Hildesheim und tritt dort für Barrierefreiheit, Teilhabe und Inklusion in der Kommunikation an. Darüber wollen wir natürlich gerne mehr erfahren. Liebe Isabel, auch dir ein herzliches Willkommen. Ich freue mich auf unser Gespräch.

00: 00:50Isabel Rink: Hallo, Hallo, vielen Dank für die Einladung.

00: 00:52Sandra Fleckenstein: Hello, Hello, ja normalerweise frage ich ja zu Beginn, wie erklärst du deine Innovation einem fünfjährigen Kind? Heute frage ich anders, wie erklärst du deine Innovation in leichter Sprache?

00: 01:07Isabel Rink: Okay, ich würde sagen, wir alle haben unterschiedliche Schuhgrößen und Schuh Geschmäcker, und genauso ist es auch bei der Sprache, die Menschen brauchen, um mitmachen zu können, und bei barrierefreier Kommunikation geht es darum, dass jeder Mensch die Sprache bekommt, die er braucht, um verstehen zu können und teilhaben zu können.

00: 01:30Sandra Fleckenstein: Du hast jetzt schon gesagt, leichte Sprache ist gleichzusetzen auch mit barrierefreier Sprache. Was ist denn leichte Sprache, und warum ist leichte Sprache oder barrierefreie Sprache so wichtig?

00: 01:44Isabel Rink: Also, leichte Sprache ist eine Form der barrierefreien Kommunikation. Da gibt's unterschiedliche Formen, je nachdem, was Menschen brauchen, und die verständlichste, niedrigschwelligste Form einer Sprache, zum Beispiel des Deutschen, ist bei uns die leichte Sprache. Da haben wir auf Wortebene sehr einfache Wörter, wir haben sehr viele Verben, wir haben auf Satzebene sehr kurze, gut strukturierte Sätze, wir haben wenig Fremdwörter, keine Metaphern, wir erklären schwierige Wörter, und wir versuchen, die Informationen möglichst gut und klar zu strukturieren und aufzubereiten, sodass möglichst viele Menschen den Text oder die Information verstehen können.

00: 02:27Sandra Fleckenstein: Und in dem Zusammenhang ist ja auch dieser Barriereindex so wichtig, den du mitentwickelt hast. Magst du uns darüber mal ein bisschen was erzählen hier?

00: 02:39Isabel Rink: Ja, sehr gerne, also, der Barriere Index ist wie ein Instrument oder eine Skala, die anzeigt, welche Barrieren Texte oder Informationen für verschiedene Menschen haben können, also so wie bauliche Anlagen oder Gebäude Zugänge versperren, kann das auch die Sprache. Sprache kann Menschen einschließen oder ausgrenzen, und dieser Barriere Index guckt eben auf die verschiedenen Menschen, auf Vielfalt und sagt, wie muss Sprache gestaltet sein, damit möglichst viele Menschen verstehen können? Also zum Beispiel kennen wir das alle selber. Wenn wir das erste Mal studieren, müssen wir vielleicht einen Bafög Antrag stellen, und da wissen wir gar nicht, was wir da machen sollen, weil der ist fachlich und eben auch durch Fachsprache ausgedrückt. Das heißt, da habe ich also eine Fachsprachen Barriere auf Seiten dieses Formulars, dieses Textes, oder aber wenn ich Rentenbescheid kriege. Also wir kennen alle so Schreiben aus dem Leben, die verstehen wir besser oder schlechter. Und genau dafür ist dieser Barriere Index. Der guckt sich verschiedene Barriere Typen an, ich hatte gerade schon genannt: Fachsprache oder auch Kultur. Wenn Menschen aus einem anderen Land kommen, dann kennen die vielleicht unsere deutschen Märchen nicht oder sind mit der Sprache nicht so vertraut oder verstehen Metaphern nicht oder Redewendungen, die wir nutzen, weil die eben damit nicht sozialisiert wurden. Und dieser Barriere Index zeigt als Modell Textschaffenden an, wie stark muss ich eingreifen, wenn ich einen Text, eine Information im Sinne des Universal designs für möglichst viele Menschen, egal wo die herkommen, egal welche Bildungsniveaus die aufweisen, egal ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht, aufbereite, damit die alle gut teilhaben können?

00: 04:26Sandra Fleckenstein: Jetzt sind wir ja heute hier zusammengekommen zum Thema leichte Sprache. Da muss ich direkt nachfragen: Fremdwort, Universal Design? Was ist denn das?

00: 04:36Isabel Rink: Danke. Das ist also die Gestaltung von Informationen oder Produkten derart, dass sie gleich für möglichst viele Menschen nutzbar sind, oder ist also, dass ich nicht im Nachgang da irgendwas ranbasteln oder rumbasteln muss, damit es noch mehr Menschen verstehen, sondern ein Design, eine Gestaltung, eine zugänglich Machung für möglichst alle Menschen, egal welche Voraussetzungen, die haben.

00: 05:01Sandra Fleckenstein: Wer definiert die also, wer definiert, was wirklich ein Universelles Design in der Sprache ist? Machen das auch die Sprachwissenschaftler? Oder von wem aus kommt es?

00: 05:13Isabel Rink: Genau, das machen ganz viele verschiedene Disziplinen, und die Wissenschaft hat natürlich immer so Standards oder Richtlinien oder Parameter, wo sie dann guckt: Okay, was sind die Einstellungen, die ich vornehmen muss, damit der Text oder das Angebot jetzt besonders gut passt? Also, wir haben natürlich Hypothesen aus der Forschung, und dann passen wir auf der Basis dieser Regeln oder Regularien Texte, und dann testen wir die im nächsten Schritt. Also ich habe immer try and error, dass ich sage: Okay, im ersten Schritt folge ich meine Regularien, dann erstelle ich einen Text, ein Produkt, und dann teste ich das, und dann merke ich ja anhand der Aussagen oder der Antworten oder was die Leute behalten, wie gut das funktioniert hat, und muss dann immer nochmal nachjustieren oder merke, dass das sehr gut verstanden wurde oder besser verstanden wurde als so ein normaler Text oder Standard sprachlicher Text, wie wir sagen.

00: 06:10Sandra Fleckenstein: Super spannend! Jetzt hast du schon gesagt, du hast schon bisschen erläutert, wie du das testest. Also gibt es dann da bei euch einen Pool von Menschen, denen man dann die Texte vorliegt und die das dann lesen und dann euch ein Feedback geben, oder wie kann ich mir das vorstellen?

00: 06:28Isabel Rink: Normalerweise ist es so, dass man beidseitig rangeht, also dass man sagt, wir haben sowohl die Text Seite als auch die NutzerInnen Seite. Ich bin überwiegend auf der Textseite unterwegs und mache da Grundlagenforschung. Wir haben aber in meinem Team an der Forschungsstelle verschiedene Doktoranten Projekte, wo die Leute dann zum Beispiel mit einem Eye Tracker, der die Augenbewegungen aufzeichnet, testen, wie gut bei den verschiedenen NutzerInnen Texte verstanden werden, also wie sind die Blickbewegungen, oder wir machen machen free Recall. Also das heißt, die Leute lesen den Text, und dann stellen wir Fragen und gucken, wie viele Informationsanteile aus dem Text, wie viele Propositionen ist das Fachwort, haben die behalten und können dann ne Checkliste machen und sagen: Okay, so viel ist da hängen geblieben oder aber auch nicht. Das heißt im besten Fall, und das es der große Mehrwert unserer Forschung ist, dass wir immer im besten Fall einen Pool von NutzerInnen haben, an die wir uns wenden können und die aber auch selber dadurch, dass sie mitmachen wollen, sich empowern, indem sie eben ja auch einen Lernzuwachs haben, und dann sagen also, durch die ganzen Texte, die ich jetzt mit euch lesen musste und die vielleicht auch ganz schön doof waren, weil es vielleicht um medizinische Themen ging, habe ich aber auch ganz schön viel gelernt. Also, im besten Fall ist das immer so ein Wechselspiel. Ich überlege mir was, wenn das an, teste das und diese wertvollen Antwortmöglichkeiten dienen mir dann wieder dazu, meinen Text oder mein Produkt zu optimieren.

00: 07:57Sandra Fleckenstein: Okay, es klingt wirklich spannend, weil ich habe mich gerade, deshalb habe ich nochmal nachgefragt, gedacht, wenn man jetzt einfach sich ein Feedback einholt, wie relevant ist das wirklich für die Wissenschaft? Weil das ist ja dann total subjektiv, und auch, was die Leute da sagen, ist da nicht irgendwie wissenschaftlich richtig messbar, wenn du jetzt erzählst, dass wirklich da auch so Augenbewegungen gemessen werden, weil das Unsicherheiten wiederspiegelt und so...Okay verstehe, das ist wirklich sehr, sehr spannend. Was mich jetzt natürlich interessiert. Ihr forscht ja in diesem Bereich. Wie kommt jetzt der Barriere Index wirklich auch in die Umsetzung? Also, wo wird leichte Sprache am dringendsten gebraucht?

00: 08:41Isabel Rink: Also wie kommt der Barriere Index zur Anwendung, je nachdem, was ich für einen Auftraggeber zum Beispiel habe, der sagt dann, meine Zielgruppe sind zum Beispiel Personen mit einer Beeinträchtigung des Sehens oder Personen mit einer Beeinträchtigung des Hörens. Dann kann ich auf den Index gucken und sehe, welchen Wert haben die oder vor welchen Kommunikations-Barrieren stehen die üblicherweise? Auf welchen Ebenen muss ich also meinen Text anpassen? So kommt quasi der Barriere Index zur Anwendung, und mit Bezug auf die Frage, wo wird leichte Sprache am dringendsten benötigt? Ich hatte ja gesagt, es ist nur eine Form von barrierefreier Kommunikation, und wir werden aber nicht alle Formen von Kommunikanten anbieten können. Das kann uns, glaube ich, in der realen Welt niemand bezahlen, also für jede Gruppe das genau anzubieten, was sie bräuchte, was natürlich sehr wünschenswert wäre. Aber bei leichter Sprache ist es eben so, dass es die maximal verständlichste Form unserer deutschen Schriftsprache, und wir wissen auf der anderen Seite, dass mehr als 20 Millionen Erwachsene aus der deutschen Bevölkerung erhebliche Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben. Entsprechen müssen wir gucken, dass wir vor allem sehr relevante Informationen auch in leichter Sprache immer als Zusatzangebot vorhalten, also zum Beispiel in der Medizin oder aber in Bezug auf die Arbeit. Ein ganz wichtiger Faktor ist aber auch die Freizeit, weil wenn es darum geht, wie Menschen selbst Text lesen und Informationen sich aneignen, dann brauche ich ja auch irgendwie eine Motivation, und da will ich eigentlich nicht unbedingt das Schreiben vom Amt, was es in leichter Sprache gibt, sondern da will ich ja vielleicht was Schönes haben.

00: 10:18Sandra Fleckenstein: Das stimmt, und ich habe in der Vorbereitung gelesen, ihr habt ja auch tatsächlich mal eine Nachrichtensendung des norddeutschen Rundfunks in leichter Sprache umgesetzt oder übersetzt oder wie man das dann auch immer nennt. Erzähl uns gerne mal ein bisschen darüber, wenn du magst.

00: 10:40Isabel Rink: Genau also auch das war eine Pilotphase. Damit hat es angefangen, dass der NDR gesagt hat, wir möchten gerne unser Nachrichten Angebot für alle anbieten, und dann war in dem Zuge 2015, wo wir reingestartet sind, die große Flüchtlingswelle, und es kam immer mehr Menschen nach Deutschland, die sich hier in dem System orientieren und zu Recht nicht finden wollten. Und das geht natürlich auch viel übers Ohr und auch übers Auge. Und damit kam dann die Nachrichten ins Spiel, dass wir gesagt haben, okay, wir versuchen mal, sieben Meldungen pro Woche aus den verschiedenen Rubriken Politik, Gesellschaft, Sportkultur in leichter Sprache vorzuhalten, und dann haben wir da einen Redaktions Stab trainiert und immer eine Abnahme der Texte gemacht, und die Nachrichten sind mittlerweile so beliebt und haben so hohe Klickzahlen, dass die sogar täglich beim NDR produziert werden. Also weil man eben auch gemerkt hat, das, was wir von unserer Durchschnittsgesellschaft als erwartbare Voraussetzung annehmen, gar nicht der Fall ist, also dass wir unsere Leute sehr häufig überfrachten mit Informationen oder dass die gar nicht so viel Vorwissensbestände haben, wie wir denken, und der normale Durchschnitt kann natürlich recherchieren oder noch mal nachgucken, was Wörter heißen oder was da im Vorfeld passiert ist. Aber ganz viele Menschen hören das vielleicht auch zum ersten Mal und möchten dann natürlich Zugang haben, und so kam das mit den Nachrichten in den verschiedenen Bereichen, und es hat sehr viel Anklang gefunden, was natürlich total schön ist, wenn es auch klappt.

00: 12:20Sandra Fleckenstein: Ja, das stimmt, und wenn ich dich richtig verstanden habe, war das jetzt nicht so eine einmalige Aktion, sondern ihr habt die Mitarbeitenden dort quasi trainiert und eure Tools vermittelt, dass sie das jetzt wirklich auch regelmäßig selbst umsetzen können. Habe ich dich da richtig verstanden?

00: 12:38Isabel Rink: Genau das war ein langer Prozess. Anderthalb Jahre, da haben wir die erste geschult und dann jede Woche Feedback, Monitoring, Schleifen gemacht, und 2015 hat es angefangen. Und auch jetzt haben wir noch einmal zweimal im Jahr wieder Monitoring und gucken, wie gut sind die Texte, wo sind Fehler, wo sind Verstöße und was ist die aktuelle Forschung.

00: 12:58Sandra Fleckenstein: Und diese Texte, von denen du sprichst, sind das dann Texte, die man liest, irgendwie online vom NDR oder so, oder sind es wirklich auch Texte, die dann zum Beispiel eine Relevanz haben für die Nachrichtensprecher oder für die Moderatoren? Oder was für Texte sind es?

00: 13:19Isabel Rink: Genau das sind die Nachrichten, die wir eins zu eins übersetzen, wie wir sagen, in leichter Sprache, also das, was der Durchschnittsbürger, die Durchschnittsbürgerinnen, auf der Homepage findet, findet man als Zusatzangebot auch in leichter Sprache mit einer zusätzlichen Audiospur, und auch das war hier was neues, weil die professionellen Sprecherinnen und Sprecher sich auch auf die leichte Sprache Fassung erstmal selbst trainieren mussten. Also wie betone ich, wenn ich langsamer spreche, wie muss ich das für mich einüben, dass das gut funktioniert? Und auch da zeigt sich sehr schön, oder das ist ein Prinzip von leichter Sprache, dass man eben über das sogenannte mehr Sinne Prinzip geht, also nicht nur das Ohr, sondern auch das Auge mit anspricht, sodass sich der Nutzer oder der Hörer oder der Leser die Variante für sich aussucht, mit der er am Besten zurechtkommt. Oder aber, wenn man zum Beispiel neu in Deutschland ist, sagen kann, ich habe jetzt den Text vor Augen, und ich aktiviere auch die auditive Spur, also die Hörfassung, und kann dann mitlesen und lerne eben dadurch, wie die Deutsche Sprache zum Beispiel funktioniert. Also leichte Sprache ist für möglichst viele Menschen.

00: 14:34Sandra Fleckenstein: Okay, wir haben jetzt ein Beispiel gehört. Wer sind denn sonst so eure, ich nenne es jetzt mal Auftraggeber, wenn das der richtige Begriff ist. NDR ist ja öffentlich-rechtlicher Sender. Wir haben vorhin schon über auch über Anträge gesprochen. Da sind wir bei so Trägerschaften oder was auch immer? Sind das eher dann so von staatlicher Seite, oder gibt's auch vielleicht Unternehmen, die auf euch zukommen und in dem Bereich sich weiterentwickeln wollen? Wer sind so eure Auftraggeber?

00: 15:05Isabel Rink: Genau also, öffentlich-rechtlicher Bereich ist ein großer Teil. Dann haben wir sehr viel im Bereich juristisch administrative Kommunikation. Öffentliche Stellen, also der Landkreis Hildesheim, die Stadt Hildesheim, die sind sozusagen an der Basis und haben eine gesetzliche Verpflichtung, Informationen in leichter Sprache anzubieten. Aber da geht sowas wie ein Meldeamt, Geschichten oder wie melde ich meinen Hund an oder um, ist jetzt nicht so unterhaltsam, aber super wichtig. Dann haben wir natürlich den großen medizinischen Bereich, der jetzt massivst hochschnellt, einerseits durch die Pandemie, andererseits durch die Digitalisierung. Wir haben aber auch mal sowas wie den Ravensburger Spiele Verlag oder so, der sagt, wir machen Anleitungen, damit die Leute die Spiele oder die Spielregeln schnell verstehen und handeln können, und oft auch für Kinder. Wie können wir denn da möglichst verständlich worden oder texten? Also, das ist aus den verschiedensten Bereichen tatsächlich. Wir haben aber tatsächlich eine Rechtslage im Bereich juristisch administrativer Kommunikation.

00: 16:13Sandra Fleckenstein: Okay, und also, die Intentionen sind ja total gut. Wenn jemand jetzt auf euch zukommt und sagt, wir wollen da was machen, wir wollen da was verändern, hast du auch die Erfahrung gemacht, dass es dann irgendwann auch verpufft ? Also am Ende eher seid ihr seit Jahren irgendwie in der Betreuung und den Monitoren. Aber gibt es dann auch vielleicht öfters so Situationen wo die Umsetzung scheitert? Und wenn ja, was sind da so die Hauptgründe, warum das dann nicht weiterverfolgt wird?

00: 16:41Isabel Rink: Leider ist das ganz oft so, also vor allem auf Landes und kommunaler Ebene. Es bräuchte eigentlich, und ja, das ist das Novum oder die Neuheit, eine echte Stelle oder echte Stellen für barrierefreie Kommunikation in den verschiedenen Organisationen und Einrichtungen, die nachhaltig diese Texte anpassen, aktualisieren und so weiter, und das passiert eben oft nicht. Also das ist oftmals so eine Eintagsfliege, dass man sagt, ich möchte jetzt dieses Formular in leichte Sprache übersetzt haben. Das Problem ist ja aber auch, dass sich Formulare mit der Zeit verändern, dass wir neue Gesetze haben oder neue Regeln gelten, also oft zum Jahresanfang ändert sich immer irgendwas, und dann nochmal zu Jahresmitte, und bei der leichten Sprache, da wird dann oft vergessen, dass man das vielleicht auch anpassen muss oder dass sich das Original geändert hat und man hier noch mal reingreifen muss. Und das ist dann wirklich schade, dass eben diese Aktualität nicht mitgedacht wird und nicht mitgedacht wird, dass auch Kommunikation in nachhaltige, professionelle Hände gegeben werden muss und dass das künftig ein Anspruch ist, den es da gibt und der zu erfüllen ist.

00: 17:54Sandra Fleckenstein: Ich würde gerne noch mal auf einen Kleinen Bereich zu sprechen kommen, über den wir jetzt noch nicht gesprochen haben, weil es gibt ja wahnsinnig viele weitere Anwendungsbereiche für leichte Sprache. Wir bekommen durch dich jetzt mal erst mal so einen ersten Eindruck, was es da so im groben geht. Und gerade für Menschen mit Behinderungen, Stichwort barrierefreies Gaming, ist es wichtig, auch im Gaming Barrierefreiheit mitzudenken. Und wie sieht das da aus?

00: 18:26Isabel Rink: Absolut spannender Bereich. Ich glaube, da ist auch noch gar nicht so viel am Start, wie es sein könnte, weil man immer denkt, Menschen mit Behinderung haben zwar Bedarfe, aber kein Budget, und das ist falsch. Also, jährlich werden über 720 Milliarden Euro nicht nicht ausgegeben oder abgeschöpft, weil es eben die Angebote nicht gibt. Und im Bereich Gaming gibt es auch die game accessibility guidelines, also das sind Richtlinien, die darauf gehen, wie kann ich ein Videospiel wahrnehmen, wenn ich vielleicht nicht sehen kann? Oder wie steuere ich das Videospiel, wenn ich vom Hals abwärts gelähmt bin, mit einem sogenannten Mundjoystick? Und das ist aber alles noch wenig systematisch, weil sich die verschiedenen Disziplinen, also sowas wie ich, Sprachwissenschaft und der Bereich Spieleentwickler noch gar nicht kennen. Also das Forschungsfeld ist so neu oder noch so jung, dass die alle noch gar nicht vernetzt sind, und auch das wäre ein Feld, wo man noch sehr viel machen könnte, weil ja Videospiele auch soziale Funktionen erfüllen.

00: 19:29Sandra Fleckenstein: Die Möglichkeiten, wo leichte Sprache angewendet werden kann und Anwendung finden kann, sind erst mal unendlich immens, und vielen Dank, dass du uns da jetzt mal zumindest so einen ersten kleinen Eindruck vermittelt hast, was leichte Sprache ist und in welchen Bereichen sie eingesetzt werden sollte und könnte, und ich würde gerne zum Ende jetzt der Sendung noch ein bisschen über dich plaudern, liebe Isabel, du hast ja eine klassische Hochschullaufbahn durchlaufen. Was genau hast du studiert, und welche Herausforderungen sind dir da so auf deinem Weg, speziell auch durch die Promotion, vielleicht begegnet?

00: 20:14Isabel Rink: Ich bin von Haus aus klassischer Dolmetscher, Übersetzer für englisch, spanisch und habe im Master dann mich fokussiert auf den Bereich Medientext und Medienübersetzung, und da gab es zum ersten Mal 2010 den neuen Bereich der barrierefreien Kommunikation, wo ich mich in meiner Masterarbeit schon mit beschäftigt habe und geguckt habe, wie kann denn im Bereich Hörschädigung die Mathematik Klausur vereinfacht werden? Und dann habe ich promoviert zum Bereich leichte Sprache und juristische Texte und war aber die ganze Zeit eben immer auf einer Stelle, auf einer halben Stelle, mal auf einer Viertelstelle, dann mal auf eine dreiviertel Stelle, hatte also immer rundherum viel Unterricht, war auch bei zwei verschiedenen Instituten angestellt, und man arbeitet halt nie 100 oder 75 Prozent, sondern immer mehr, und man hat aktuell im System noch sehr wenig Zeit für die eigene Forschung, also für das vertiefte, selbstständige Forschen. Man setzt sich ja nicht abends einfach hin und schreibt jetzt fünf Seiten oder ich nicht. Man muss ja auch da erst mal runterkommen, sich eingrooven, gucken, wo war ich gerade, und da ist die Frage, auf welcher Stelle man das macht? Hat man ein Stipendium? Hat man eine Stelle? Hat man sonst ein Finanzierer ?

00: 21:36Sandra Fleckenstein: Okay, das heißt, wo braucht es deiner Meinung nach vielleicht auch mehr Unterstützung, gerade für junge Frauen in so einem Hochschulapparat?

00: 21:45Isabel Rink: Ich glaube, es bräuchte vielleicht mehr Graduiertenkollege, generell Angebote von Stipendien und auch da eine Zahlungs Erhöhung. Also, ich glaube, aktuell liegt der Schnitt bei einem Stipendium bei zwischen 1200 und 1400 €, und wenn man sich anguckt, Inflation und was sonst gerade alles passiert, Forschung kostet Geld, und wenn das nicht vernünftig finanziert wird, dann sind das prekäre Verhältnisse. Und ich glaube, der erste Schritt ist, dafür nochmal zu sensibilisieren und zu sagen, hier, liebe Politik, wenn ihr kein Brain drain wollte, also ich wollte, dass die klugen Köpfe abwandern, gebt was in das Bildungssystem rein, und das hört man ja auch immer wieder, dass das Bildungssystem so ein bisschen kippt, und ich glaube, der erste Schritt ist die Bewusstseinsbildung, und dann sich wirklich nochmal anzugucken, sind die Finanzierung sicher, und so eine Promotion dauert im Schnitt auch zwischen vier und sechs Jahren. Also zumindest in unserer Disziplin ist das so in den Geisteswissenschaften, weil man ganze Bücher schreibt, die haben dann zwischen 400 und 600 Seiten. Das macht man nicht mal eben so nebenbei, und da muss mehr Budget ins System oder in diese Stipendien und dann aber auch sowas wie Coachingangebote. Also, man geht ja durch so viele Täler der Tränen, während man eine Desertation schreibt. Da braucht man auch mal jemanden, der sich das anhört und dann einen wieder aufbaut und sagt, du schaffst das, und ich glaube, so Unterstützungsangebote einfach und nicht immer nur, dass man Rapport macht und berichtet und präsentiert, sondern dass man auch mal ein halbes Jahr zur Ruhe kommen kann und durchatmen kann und was kluges aufschreiben kann, ist das allerwichtigste.

00: 23:22Sandra Fleckenstein: Auch Stichwort: work life balance ist ja auch ein Thema in der Wissenschaft. Ja, vielen Dank. Jetzt haben wir in der Sendung einiges von dir und natürlich auch von deiner Innovation gehört. Zusammenfassend magst du dich bitte mal mit drei Hashtags beschreiben.

00: 23:44Isabel Rink: Welt, modern, kann nicht nein sagen.

00: 23:50Sandra Fleckenstein: Okay, vielen Dank. Ich lasse das jetzt am Ende der Sendung einfach mal so stehen, weil das würde jetzt eigentlich auch schon wieder eine neue Sendung aufmachen. Welchen Rat möchtest du denn deinem Jüngeren Ich gerne mit auf den Weg geben, also der Isabel, die jetzt gerade angefangen hat zu studieren? Was wäre für dich gut gewesen, wenn du das Wissen von heute schon gehabt hättest?

00: 24:12Isabel Rink: Weil ich es gerade gesagt habe: lernen, nein zu sagen und klare Grenzen zu setzen.

00: 24:19Sandra Fleckenstein: Du hast es quasi ja schon schon eben zu mir rüber geworfen. Isabel, vielen, vielen Dank für deine Einblicke in dieses noch relativ neue, aber superwichtige Forschungsfeld. Ich könnte wirklich grad jetzt mit dir noch ein bisschen weitersprechen, so ganz locker und natürlich in leichter Sprache. Und natürlich drücken wir alle Daumen, dass der Barriere Index und die leichte Sprache in noch ganz vielen weiteren Bereichen den Weg in die Anwendung findet. Die Möglichkeiten sind imens, das haben wir vorhin schon festgestellt. Wir hoffen jetzt erst mal, dass ihr, liebe HörerInnen, den Weg zu unserer Plattform #innovativeFrauen findet und euch dort einfach mal ein bisschen umschaut. Folgt uns auch gerne auf social Media und bewertet diesen Podcast, bis zum nächsten Mal.

00: 25:17Intro/ Outro: Wir hoffen, dass euch die Folge gefallen hat. Auf unserer Plattform innovative-Frauen.de findet ihr weitere spannende Inhalte. Schaut auch gerne mal vorbei. Habt ihr Fragen oder Wünsche? Dann schreibt uns an Podcast@innovative-Frauen.de. Ihr findet uns auch bei Instagram, Twitter, YouTube und LinkedIn. Und eine Info zum Schluss für die Transparenz. Die Plattform #innovativeFrauen wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderrichtlinie Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation,Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern unter dem Förderkennzeichen 01FP21070 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Kompetenzzentrum Technik, Diversity, Chancengleichheit ev.

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