Christina Bergmann: Wie kann Forschung zukunftsorientiert gestaltet werden?

Shownotes

Wissenschaft für alle? Dr'in Christina Bergmann ist kognitive Neurowissenschaftlerin und die wahrscheinlich erste hauptberufliche, hochschulinterne Recruiterin für Professuren in Deutschland. Mit unterschiedlichen ineinandergreifenden wissenschaftlichen Projekten verfolgt sie das Ziel einer offenen Wissenschaft für alle auf Augenhöhe.

Wie funktioniert Recruiting für Professuren und wie kann Forschung zukunftsorientiert gestaltet werden? Darüber spricht Dr'in Christina Bergmann in dieser Podcast-Folge von #ForscherinnenFreitag mit unserer Moderatorin Sandra Fleckenstein.

Christinas Projekt Allgemeine Informationen zum Thema Professur Diese Initiative möchte euch Christina besonders ans Herz legen: Projekt Professur Stellenanzeigen auf Academics.de

Many Babies

Über unsere Plattform #InnovativeFrauen könnt ihr euch mit Christina vernetzen, außerdem ist sie offen für Interviews und Anfragen als Mentorin und Rednerin: Profil von Dr’in Christina Bergmann

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00: 00:09Intro/ Outro: Forscherinnen Freitag, der Interviewpodcast mit innovativen Frauen aus der Wissenschaft.

00: 00:15Sandra Fleckenstein: Ein fröhliches Hallo und herzliches Willkommen zu einer neuen Folge von Forscherinnen Freitag. Mein Name ist Sandra Fleckenstein und ich darf heute wieder eine sehr inspirierende und innovative Frau bei mir begrüßen. Sie ist nicht nur kognitive Neurowissenschaftlerin, sondern wahrscheinlich die einzige hauptberufliche Recruiterin für zukünftige ProfessorInnen in Deutschland. Dementsprechend bringt sie nicht nur viele spannende Projekte, sondern gleich mehrere Perspektiven auf Forschung mit. Ihre Devise lautet "Mehr Diversität und Teilhabe". Ich freue mich riesig auf das Gespräch mit ihr. Doktorin Christina Bergmann. Schön, dass du da bist.

00: 00:59Christina Bergmann: Hallo! Danke, dass ich da sein darf.

00: 01:03Sandra Fleckenstein: Ja klar. Ich habe mich schon die ganzen letzten Tage auf das Gespräch mit dir gefreut. Und ich habe es ja auch gerade schon in deiner Vorstellung erwähnt. Du bist wahrscheinlich die einzige hauptberufliche Recruiterin für ProfessorInnen in Deutschland. Seit März 2022 bist du in dieser Position an der Hochschule Osnabrück. Wie kam es dazu?

00: 01:23Christina Bergmann: Ja, also das ist wirklich der Zufall, der mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin. Ich wollte gerne wieder nach Deutschland zurück, nach einer internationalen Karriere. In den Niederlanden habe ich meine Promotion durchgeführt und bin dann nach Paris gezogen und dann wieder in die Niederlande. Und dann kam die Pandemie und mein erstes Kind. Und wir dachten irgendwann so, ja, jetzt wäre es auch wieder schön, in die Heimat zurückzukehren. Und das war nun der Job, der sowohl meine Kompetenzen als auch den Ort Deutschland verbunden hat und der mich auch einfach angesprochen hat, in dem da wirklich auch gesagt wurde, wir wollen Diversität bei ProfessorInnen erhöhen und deswegen fand ich das super, dass ich da, statt Vorbild zu sein, auch wirklich aktiv eine Rolle spielen kann in Veränderungen, die stattfinden müssen in Deutschland.

00: 02:16Sandra Fleckenstein: Das ist auf jeden Fall schön, dass du dich diesen Themen angenommen hast. Da gehen wir natürlich später noch mal genauer darauf ein. Jetzt noch mal kurz zu deiner Position, also Recruiter in für Professuren. Warum ist denn das überhaupt nötig? Und ist es denn schwer, solche Positionen zu besetzen?

00: 02:35Christina Bergmann: Man würde wirklich denken, Professor Professorin ist der Traumberuf für einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin. Ich bin aber an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften. Das ist, was wir auch als Fachhochschule in Deutschland kennen. Und da gibt es nochmal besondere Anforderungen, nämlich dass die Leute neben einer Promotion der wissenschaftlichen Ausrichtung der Forschung auch Praxiserfahrung mitbringen müssen. Das heißt, Leute müssen von diesem akademischen Weg, den wir auch unter der Diskussion "Ich bin Hannah" schon gekannt oder von dem wir viel gehört haben, von dieser Postdoc Phase, weggegangen sein müssen, raus gegangen sein, in was wir als alternative Karriere kennen, zum Beispiel in ein Forschungsunternehmen oder in eine Führungsposition und dort quasi ihr Wissen auch schon angewandt haben. Und dann müssen sie den Weg zurückfinden in die Wissenschaft, in die Professur. Das haben viele überhaupt nicht auf dem Zettel. Die Leute denken: Okay, jetzt habe ich mich von diesem, dieser Laufbahn Professur, von diesem wissenschaftlichen Weg verabschiedet und jetzt bin ich ganz raus aus dem System. Ich kann nicht mehr den Weg zurückfinden, obwohl sie es vielleicht wirklich gern getan hätten. Und genau diese Leute möchte ich im Grunde finden. Oder auch Leute, die vielleicht denken: Hey, ich gebe immer Seminare für meine Mitarbeitenden. Ich finde das unheimlich toll. Mir gibt das unheimlich viel. Vielleicht kann ich das auch mal bei Studierenden machen und die vielleicht auch super für eine Professur geeignet wären, aber gar nicht auf dem Zettel haben, dass sie dadurch, dass sie in der Praxis in der Anwendung sind, die perfekte Person für Professuren hier an der Hochschule sind.

00: 04:08Sandra Fleckenstein: Also wenn ich das jetzt richtig verstehe, gibt es da natürlich auch verschiedene Herausforderungen, die du jetzt schon benannt hast. Auf der einen Seite gibt es einfach klar definierte Kriterien, die jemand erfüllen muss, um dann auch in so eine Position gehoben werden zu können. Und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die die Qualifikationen haben, aber vielleicht gar nicht wissen, dass es das gibt und dass das auch ein Weg für sie sein könnte. Das finde ich auch super spannend. Nehmen wir uns gerne mal mit in so einen Recruitingprozess. Wie läuft das ab? Kann ich mir das vorstellen wie bei so einem Headhunter, dass du dann da so verschiedene Profile vor dir liegen hast? Oder gehst du wirklich auf die Suche? Wie läuft das bei dir?

00: 04:49Christina Bergmann: Also ich bin ja noch sehr neu in der Rolle seit März, wie du gesagt hast. Und ich habe das Glück, dass ich da auch noch viel entwickeln kann. Also es gabs hier an der Hochschule vorher gar nicht. Vorher wurde, wie man das sich auch vorstellt, eine Anzeige geschaltet. "Wir haben hier eine Stelle frei, eine Professur" und dann wurde gehofft, dass sich die geeigneten Personen bewerben. Und jetzt baue ich verschiedene Mittel auf, probiere verschiedene Strategien. Ich rede mit Leuten über die Möglichkeit, diesen Karriereweg einzuschlagen an verschiedenen Positionen der akademischen Laufbahn. Zum Beispiel schon Masterstudierende, Doktoranden oder auch Leute, die jetzt schon in der Industrie sind. Also ich versuche, verschiedene Personen anzusprechen und allgemein auf den Weg aufmerksam zu machen. Und für konkrete Stellen überlege ich zum Beispiel gemeinsam mit den ProfessorInnen hier an der Hochschule, wo man die geeigneten Personen findet. Auf was für Stellenbörsen würden die überhaupt gucken? Weil man hat ja manchmal so ein halbes Auge auf Stellenbörsen, guckt aber nicht unbedingt auf die akademisch gelastigen Stellenbörsen, sondern vielleicht eher bei Green Jobs oder so oder nachhaltige Jobs. Also man möchte irgendwas vielleicht verändern, sich selber auch verändern. Aber hat das vielleicht gar nicht auf dem Zettel, dass man auch bei einer Professur gut dabei wäre. Und das ist dann zum Beispiel auch ein Baustein zu gucken, dass man andere Medien, andere Plattformen bespielt, eine andere Sprache findet, in der man die Leute anspricht. Und das sind ganz viele kleine Bausteine, die ich da ja nach und nach auch ausprobiere, also neben Plattform persönlicher Ansprache, auch mit einem ganzen Team, wir sind nämlich ein riesen Projekt Team, wirklich auch zum Beispiel eine Website erstellen Quiz, verschiedene Qualifikationsmöglichkeiten. Also da gibt es unheimlich viel, was wir auch aufbauen und anbieten. Und ich glaube, in dem Rahmen können wir dann irgendwann wirklich dahin kommen, dass wir da irgendwann einen Stapel toller Profile auf dem Tisch haben, die ich dann durchgehen kann. So weit sind wir nun leider noch nicht. Aber es melden sich auch immer wieder Personen, die neugierig sind und die ich dann beraten kann. Was bedeutet das überhaupt? Hochschule für angewandte Wissenschaften? Professur? Was sind die Aufgaben? Was bedeutet die Qualifikation, die Berufserfahrung, die vorausgesetzt ist? Und wie kann man die erlangen? Also auch da ist der eins zu eins Kontakt unheimlich bereichernd und hilfreich und schön. Und ich kann auch wirklich viel, glaube ich, damit bewegen, dass ich Leuten diese Perspektive öffne.

00: 07:19Sandra Fleckenstein: Total spannend. Also, wenn ich das richtig raushöre, habt ihr wirklich so einen ganzheitlichen Ansatz gewählt im Recruiting? Und ja, du hast eben so Plattformen angesprochen. Vielleicht ist das ja für unsere ZuhörerInnen total interessant. Welche Plattform gibt es, wo du sagst, da gucken wir, das ist interessant für wissenschaftliche Mitarbeitenden, um dann vielleicht zum Karrieresprung auch die Professur zu machen. Also was gibt es da so für Plattformen, die du unseren ZuhörerInnen ans Herz legen kannst?

00: 07:56Christina Bergmann: Also wenn man eine Professur sucht, ist der Standard wirklich die Zeit. Und Akademics, das sind die zwei Standardplattformen. Aber gerade für Frauen gibt es unheimlich viele Spezialangebote, zum Beispiel das Projekt "Professur". Das ist ein Verbund von Gleichstellungsbüros, wo man sich auch selber als Interessierter an einer Professur eintragen kann, auch Veranstaltungsinformationen erhalten kann. Und das ist eine ganz fantastische Möglichkeit, Stellenanzeigen zugesendet zu kriegen, aber auch sich weiterzubilden, weiter zu entwickeln, zu sehen, was kann man denn noch erreichen und wie kann man sich vernetzen. Weil Vernetzung natürlich auch ein ganz wichtiges Thema ist.

00: 08:36Sandra Fleckenstein: Absolut. Und damit ihr euch da auch richtig vernetzen könnt, packen wir euch jetzt einfach dann diese wertvollen Informationen und Hinweise von Kristina in die Shownotes rein. Ja, Kristina, wie viele bzw. viele junge Menschen, die zum Beispiel gerade am Beginn ihres Studiums sind, haben ja oft irgendwie auch Unsicherheiten, Zweifel, was so eine wissenschaftliche Karriere angeht. Du hattest das vorhin auch schon mal beschrieben. Eine Professur scheint super weit entfernt. Was möchtest du den jungen Menschen da draußen mit auf den Weg geben?

00: 09:13Christina Bergmann: Also es gibt überhaupt nicht mehr heutzutage den einen linearen Karriereweg. Das ist vorbei. Die Zeiten sind nicht mehr da, dass wir eine Sache studieren und dann um den Rest unseres Lebens daran arbeiten, das möchten wir, glaube ich, auch nicht mehr. Das ist, glaube ich, überhaupt nicht mehr interessant, 40 Jahre denselben Job zu machen. Die Welt verändert sich so schnell, und deswegen ist es gut, zu einem gewissen Maß flexibel zu sein, aber auch seinen eigenen Wert zu kennen. Das ist unheimlich wichtig. Unterschätzt euch selber nicht. Ihr seid ja fantastisch. Ihr habt unheimlich viel auf dem Kasten, unheimlich viele Fähigkeiten. Ihr wisst unheimlich viel, selbst im ersten Semester schon, was ihr alles aus der Schule mitbringt, aus eurem Leben. Unterschätzt das bloß nicht. Eure eigenen Erfahrungen sind immer wertvoll. Und ja, lernt euch so gut kennen, dass ihr diese eigenen Erfahrungen auch nutzen könnt.

00: 10:02Sandra Fleckenstein: Danke für deine motivierenden Worte. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass du mehrere Perspektiven auf die Forschung mitbringst. Zum einen hast du ja selbst einen wissenschaftlichen Werdegang, bist also selbst Forscherin. Darauf kommen wir natürlich später noch mal zu sprechen. Und zum anderen beschäftigst du dich in deiner neuen Position als Recruiterin natürlich viel mit Rahmenbedingungen, Teilhabe und Diversität in der Forschung. Warum braucht es aus deiner Sicht mehr Diversität und Teilhabe in der Wissenschaftswelt?

00: 10:34Christina Bergmann: Das ist eigentlich eine zwingende Voraussetzung. Ich bin hauptberuflich, würde ich sagen, oder ich war hauptberuflich Kognitionswissenschaftlerin. Das heißt, ich habe mich damit, wie wir denken und die Welt verstehen und verarbeiten, auseinandergesetzt. Und wenn wir da nur eine Perspektive mitnehmen, ist es unmöglich herauszufinden, wie das menschliche Gehirn funktioniert, wie es mit unterschiedlichen Umständen zurechtkommt, wie die Umwelteinflüsse sich mit unseren Anlagen verbünden oder vielleicht auch gegeneinander arbeiten, wenn wir wirklich nur einen ganz kleinen Ausschnitt der möglichen menschlichen Erfahrung mitnehmen. Und das bedeutet nicht nur, dass wir durch die Welt reisen und verschiedenste VersuchsteilnehmerInnen befragen, sondern auch, dass diese Perspektiven in der Forschung repräsentiert sind, also dass Forscherinnen vielfältige Perspektiven, Fragestellungen und auch Hintergründe mitbringen, um überhaupt auf Ideen zu kommen, auf die ich persönlich mit meinem deutschen Hintergrund gar nicht kommen würde, weil mir das überhaupt nicht vorschwebt. Diese Vielfalt ist also eigentlich eine zwingende Notwendigkeit, um Lösungen zu finden und Antworten zu finden.

00: 11:45Sandra Fleckenstein: Sehr gut. Lasst uns genau von diesem Punkt ausgehen und noch einen Schritt weitergehen. Du hast eben schon gesagt: Lösungen. Was ist deine große Vision? Wie soll, kann, darf, muss Forschung zukunftsorientiert gestaltet werden?

00: 12:00Christina Bergmann: Das ist eine unglaublich wichtige Frage, mit der ich mich wirklich viel beschäftige. Und ich fange mal bei den vielen kleinen Lösungen an, die jetzt gerade diskutiert werden und die ich persönlich als Band, als Pflaster bezeichne. Wir haben ein Riesenproblem, ein Riesenleck in der Forschung. Wir erstellen Studien, die vielleicht nicht repräsentativ sind, die vielleicht auch nur zu eingeschränkte Blickwinkel repräsentieren. Und wir versuchen, das mit kleinteiligen, kleinschrittigen Lösungen zu adressieren. Ich persönlich, wenn ich sagen dürfte, was passieren muss, ist, dass wir wirklich einen massiven Perspektivwechsel, ein großes Umdenken vornehmen, in dem nicht die Einzelperson im Zentrum der Forschung steht. Nicht der einzelne fantastische Forscher, der Einstein, die Marie Curie, sondern in dem das Team die Vielfalt und auch das Ergebnis im Vordergrund steht.

00: 12:53Sandra Fleckenstein: Das hast du so schön formuliert. Danke dir an der Stelle. Sehr, sehr spannende Arbeit, mit der du dich da jeden Tag beschäftigst. Ich würde jetzt gerne noch ein bisschen mehr über dich sprechen. Also du hast es eben schon gesagt, du hast einen Bachelor in Kognitionswissenschaften, du hast einen Master in kognitive Neurowissenschaften, eine Dissertation, und du hast die letzten Jahre am Max Planck Institut für Psycholinguistik in den Niederlanden als Leitung des Innovationsteams am Language Development Department gearbeitet. Und all das Wissen bringst du jetzt in verschiedene Projekte mit ein. Was haben alle deine Projekte gemeinsam? Um uns das zu erklären, steigen wir jetzt gemeinsam in einen Aufzug und du hast dafür 20 Sekunden Zeit, um uns das zu erklären.

00: 13:46Intro/ Outro: Elevator Pitch.

00: 13:51Christina Bergmann: Wie kriegen wir es hin, dass so viele Menschen wie möglich so viel von der Wissenschaft haben wie möglich? Das ist meine Kernaufgabe.

00: 14:01Sandra Fleckenstein: Cool. Du warst schneller fertig, als der Aufzug schon in seiner Etage ist. Ich glaube, das gab es auch noch nie.

00: 14:07Christina Bergmann: Oh wow, ja wir haben das viel geübt.

00: 14:11Sandra Fleckenstein: Sehr gut. Dann kann ich auch mit Teil deines Jobs einfach diese ganzen großen Themen auch prägnant formulieren zu können. So, wir sind oben angekommen und ich möchte dich jetzt natürlich fragen, ob du Lust hast, uns ein bisschen von einem deiner Projekte zu erzählen. Vielleicht auch von Manny Babys.

00: 14:33Christina Bergmann: Das würde ich sehr gerne, Manny Babys auch wirklich eins meiner Babys. Das mag ich sehr gerne. Manny Babys übersetzt: viele Babys, viele Kinder, ist ein Projekt in der Kleinkindforschung. Ich habe mich nämlich in meinem Master und in meiner Promotion damit wirklich beschäftigt, wie im ersten Lebensjahr Kinder anfangen, Wissen zu erwerben. Vor allen Dingen Sprache. Wie sie überhaupt lernen, Wörter zu verstehen, zu sprechen. Das ist ein unglaublicher Prozess. Sie kommen ja wirklich ohne jede Information in die Welt und müssen dann aus diesem Wust Sprache rausfiltern. Das komplexeste Kommunikationssystem, das wir kennen. Das ist natürlich besonders schwierig, weil es sehr, sehr mühsam ist, rauszufinden, was Babys wissen und verstehen. Jeder, der sich mal mit einem Kleinkind beschäftigt hat, weiß, dass wir oft raten müssen, warum das Baby gerade weint, lacht oder so. Und deswegen gibt es viele, viele indirekte Methoden, die wir anwenden, um zum Beispiel herauszufinden, dass Kinder überrascht sind, wenn ein Gesicht, das mit einer Stimme spricht, auf einmal eine andere Stimme hat oder so. Oder wenn ein Block hinter einer Wand verschwindet, dass sie erwarten, dass der auf der anderen Seite wieder hervorkommt. Also Kinder wissen schon unheimlich viel unheimlich früh. Wir können sie aber nicht fragen "Überrascht dich das jetzt oder hast du den Block da auf der anderen Seite erwartet oder nicht?" Nein, wir messen indirekte Daten und müssen uns auf Verhalten verlassen, dass Babys von sich aus schon zeigen. Das Problem ist, dass dieses Verhalten unheimlich variabel ist. Und deswegen müsste man eigentlich hunderte von Babys ins Babylabor einladen, vor lustige, blinkende Lämpchen oder Figürchen setzen und dann deren Verhalten codieren. Das ist unheimlich zeitintensiv und deswegen haben wir Manny Babies gegründet, um verschiedene Labore zusammen zu schließen und solche Studien auf einer ganz anderen Größenordnung als bisher durchführen zu können.

00: 16:29Sandra Fleckenstein: Das heißt, diese Studien per se werden ja durchgeführt, müssen ja durchgeführt werden, um überhaupt Ergebnisse zu haben. Und was genau ist jetzt deine Innovation daran, dass du die zusammen führst?

00: 16:39Christina Bergmann: Das Neue an Many Babys ist, dass so viele Labore zusammenkommen. In der ersten Stunde, die wir innerhalb von fünf Jahren, was ich rasend schnell finde, von Anfang bis Ende durchgeführt haben, haben wir mit über 150 Forschenden über 2000 Babys inkludieren können am Ende. Das ist eine Größenordnung, die gab es vorher einfach nicht. Und das zu koordinieren, einen Rahmen zu schaffen, in dem Labore zusammenkommen können, ihre eigenen Fragestellungen kooperativ entwickeln. Nicht, dass einer reinkommt und sagt wir machen das jetzt so, sondern partizipativ von und nach oben wirklich auch Fragestellungen zu entwickeln, methodische Feinheiten auszubügeln, kollaborativ, diese Daten zu erheben und auszuwerten, das ist wirklich in seiner Gänze komplett innovativ.

00: 17:29Sandra Fleckenstein: Das passt ja ganz zufällig auch zu deiner Mission und deiner Vision, nämlich gemeinsam Dinge zu bewirken und nicht jeder als Einzelkämpfer. Das ist sehr, sehr schön zu hören. Also in diesem Projekt Many Babies ist Teilhabe irgendwie deutlich ja ersichtlich. Ihr arbeitet ja auch mit den Eltern da zusammen und die Bevölkerung kann sich da mit einbringen und sich da anmelden und das Kind da zur Verfügung stellen. Und ihr habt es als Grassrootsprojekt angelegt, also ein Projekt, das aus der Bevölkerung heraus ja auch entstanden ist oder entsteht, wenn ich das richtig verstanden habe.

00: 18:08Christina Bergmann: Aus der Forscherbevölkerung.

00: 18:10Sandra Fleckenstein: Aus der Forscherbevölkerung? Also wo spielt denn dann bei Many babies Diversität eine wichtige Rolle.

00: 18:17Christina Bergmann: Und in verschiedenen Dimensionen. Das erste ist, dass wir Daten von Familien erheben, die sonst vielleicht nicht so sichtbar sind, die vielleicht auch nicht als relevant erachtet werden. Publikationen sind immer noch unheimlich eng, amerikanisch und Europa lastig. Das heißt auch, da mehr Diversität reinzubringen in Form von Labor Teilhabe. Es ist ein Punkt. Der andere ist, dass wir auch Teams befähigen wollen und da auch wirklich dran sind, die vielleicht noch nicht diese Art von Forschung durchgeführt haben, vielleicht auch aus Ressourcengründen oder aus Wissenstransfergründen, weil das ja ein geschlossenes System bisher war, dieses System zu öffnen, das Wissen bereitzustellen, die Tools bereitzustellen. Die Tools auch zu vereinfachen, zu vergünstigen und auch da Diversität auf Seite der Forschenden in das System zu bringen und dann auch Leute mit verschiedensten Hintergründen wirklich dazu zu empowern, dass sie auch ihre Fragestellungen in Many Babys reinbringen und die Ressourcen, die Many Babys zur Verfügung stellt, nutzen können.

00: 19:18Sandra Fleckenstein: Ich bin beeindruckt. Teilhabe, Diversität das sind alles wahnsinnig wichtige Themen, die du in deinen Projekten lebst. Also könnte man sagen, ist deine Innovation ja auch quasi Innovationen für diverse teilhabendere Wissenschaft zu kreieren.

00: 19:38Christina Bergmann: Ja, das ist genau das ist, genau die... Das ist richtig.

00: 19:41Sandra Fleckenstein: Innovativ. Innovativer geht es glaube ich gar nicht.

00: 19:44Christina Bergmann: Ich gebe mein Bestes.

00: 19:46Sandra Fleckenstein: Sehr gut. Liebe Kristina, wir sind am Ende der Sendung schon angekommen. Die Zeit ist gerast und am Ende jeder Sendung habe ich immer noch eine innovative Frage im Gepäck. Was ist denn dein Lieblings Getränk?

00: 20:00Christina Bergmann: Ich glaube Kaffee. Am Ende kommt es auf guten Kaffee.

00: 20:03Sandra Fleckenstein: Ein guter Kaffee mit Milch oder Latte Macchiato, Cappuccino?

00: 20:07Christina Bergmann: Schon richtig schöner Milchkaffee. Mit ein bisschen Schaum wünsche ich. So ein richtig schöner großer...

00: 20:12Sandra Fleckenstein: Milchkaffee. Okay, stell dir mal vor, du sitzt jetzt in deinem Lieblingscafe. Es ist ein ganz herrlicher, sonniger Tag und die Bedienung kommt und bringt dir so einen wahnsinnig leckeren Milchkaffee mit Milchschaum obendrauf. Und dir gegenüber sitzt dein jüngeres Ich. Die Christina, die gerade vielleicht im Erstsemester ist und ganz am Beginn ihrer Karriere steht. Was möchtest du der dann mit auf den Weg geben?

00: 20:42Christina Bergmann: Du kriegst das hin. Glaub an dich.

00: 20:46Sandra Fleckenstein: Ja, Chaka.

00: 20:48Christina Bergmann: Genau. Also, ja, irgendwie hat es immer geklappt.

00: 20:52Sandra Fleckenstein: Sehr gut. Jetzt so aus der Retrospektive. Hat immer geklappt. Das heißt....

00: 20:56Christina Bergmann: Es geht immer weiter.

00: 20:58Sandra Fleckenstein: Schön. Danke dir für deine wirklich wirklichen Innovationen. Ich muss an der Stelle nochmal betonen, weil heute wirklich so eine richtige Innovationssendung ist. Ich danke dir von Herzen für deine Zeit, für dein Herzblut, mit dem du all deine Projekte vorantreibst. Das konnte ich in diesem Gespräch auf jeden Fall deutlich spüren. Du lebst einen Begriff, für den wir hier auch wöchentlich antreten, nämlich Innovation, nämlich weibliche Innovationen. Und es ist einfach total schön zu sehen, dass es sehr viele innovative Frauen gibt. Und um noch mehr innovative Frauen sichtbarer zu machen, habe ich natürlich auch in der nächsten Folge natürlich wieder eine innovative Frau zu Gast. Also, liebe ZuhörerInnen, schaut dann gerne mal wieder bei uns vorbei. Tschüss!

00: 21:50Intro/ Outro: Wir hoffen, dass euch die Folge gefallen hat. Auf unserer Plattform Innovative-Frauen.de findet ihr weitere spannende Inhalte. Schaut doch gerne mal vorbei. Habt ihr Fragen oder Wünsche? Dann schreibt uns an Podcast@Innovative-Frauen.de. Ihr findet uns auch bei Instagram, Twitter, YouTube und LinkedIn. Und eine Info zum Schluss für die Transparenz. Die Plattform #InnovativeFrauen wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderrichtlinie Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern unter dem Förderkennzeichen 01FP21070 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Kompetenzzentrum Technik Diversity Chancengleichheit e.V..

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