Anne-Christin Bansleben: Was ist Rhabarberleder?

Shownotes

Aus dem Labor zur Fashionshow und von der Forscherin zur Gründerin: Unsere heutige Interviewgästin Dr'in Anne-Christin Bansleben ist Pflanzenanalytikerin, Ernährungswissenschaftlerin und Unternehmerin und hat eine umweltfreundliche Alternative zur konventionellen und umweltbedenklichen Chromgerbung von Leder entwickelt. Was Rhabarber damit zu tun hat, wie sie dazu gekommen ist und wo Rhabarberleder seinen Einsatz findet, erzählt sie im Interview.

Hier geht es zur Internetpräsenz von Deepmello, dem nachhaltig gegerbten Rhabarberleder

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00: 00:00Intro/ Outro: Forscherinnen Freitag, der Interviewpodcast mit innovativen Frauen aus der Wissenschaft.

00: 00:15Sandra Fleckenstein: Das Warten hat ein Ende. Heute gibt es endlich wieder eine neue Folge aufs Ohr. Mein Name ist Sandra Fleckenstein und heute zu Gast bei mir in der Sendung ist Doktorin Anne Christine Bansleben. Sie ist Pflanzenanalytikerin, Ernährungswissenschaftlerin und Unternehmerin. Und sie hat was total Innovatives, Abgefahrenes entwickelt, ein nachhaltiges Gärungsverfahren für Rhabarberleder. Damit sagt sie nicht nur der traditionellen Lederindustrie den Kampf an, sondern revolutioniert so ganz nebenbei auch noch die Fashionwelt. Ich freue mich sehr, mehr darüber zu erfahren. Herzlich willkommen, Anne. Schön, dass du da bist.

00: 00:56Anne Christine Bansleben: Hallo Sandra.

00: 00:59Sandra Fleckenstein: Ja, Anne, die Frage des Tages: Warum Rhabarber? Also in welchen Eigenschaften unterscheidet sich Rhabarber von anderen möglichen Stoffen, die für die Ledergerber infrage kommen?

00: 01:11Anne Christine Bansleben: Zunächst einmal das beste Gemüse überhaupt. Großer Fan seit der Kindheit. Nein. Also Rhabarber hat ganz interessante Inhaltsstoffe, die man ihm gar nicht so richtig zutrauen würde. Sieht ja eigentlich relativ unspektakulär aus und jeder kennt ihn und überall wächst er. Aber er ist sehr interessant von seiner Inhaltsstoff Zusammensetzung und in der Wurzel sind Inhaltsstoffe enthalten, die Leder werben können. Und das ist unsere Innovation auch gewesen.

00: 01:37Sandra Fleckenstein: Darüber werden wir heute sprechen. Ja. Du hast nämlich eine umweltfreundliche Alternative zur konventionellen und umweltbedenklichen Chromgerbung entwickelt. Was ist an der traditionellen Gerbung denn so bedenklich? Und wie gerbt ihr? Da sind wir dann auch schon bei deiner Innovation.

00: 01:55Anne Christine Bansleben: Ja, also 80 bis 90 % aller Leder werden mit Chrom gegerbt, das heißt dieses Schwermetall, welches die Eigenschaften auch hat, aus einer rohen Haut ein Leder herzustellen, weil nichts anderes verbirgt sich hinter dem Prozess des Gerbens. Man muss diese Häute ja irgendwie haltbar machen und dabei kann man zum Beispiel Chrom einsetzen. Im Zuge der Industrialisierung wurde dies entwickelt. Da hat sich natürlich auch noch keiner über die Nebenwirkungen des Ganzen Gedanken gemacht. Die hatten ganz andere Sorgen damals, kann man so schön sagen, denn die Problematik dahinter ist zum einen die Gewinnung dieser Gerbstoffe, dieses Chrom, das wird im Tagebau abgebaut, meistens in Asien und Afrika, verbunden mit Landenteignung, Bodenentwässerung, schlechten Arbeitsbedingungen für die Leute, die das dort abbauen müssen. Dann, mit viel Energieaufwand muss das erst mal in diese Verbindungen umgewandelt werden, die sich dann auch für die Gerbung eignet. Weil so wie es im Boden vorkommt, funktioniert das nicht einfach. Ja, alles was damit zusammenhängt ist natürlich schwer bedenklich. Und dann auch die Herstellung der Leder. Viele Leder werden halt in Asien produziert. Auch da mangelt es natürlich an Arbeitsschutz, was sehr schade ist, dass das leider immer noch so stattfindet. Die Leute müssen mit diesen Abwässern, die schwermetallbelastet sind, leben. Daraus leben kein Arbeitsschutz an der Haut. Das Einatmen dieser Gerbstoffe ist krebserregend. Also das hat ganz viele Aspekte.

00: 03:19Sandra Fleckenstein: Und Kinderarbeit habe ich mir sagen lassen.

00: 03:21Anne Christine Bansleben: Kinderarbeit, auch ganz große Problematik dort und natürlich dann am Ende gibt es das fertige Produkt, was dann bei uns im Schaufenster landet oder in den Geschäften. Und es gibt mittlerweile sehr viele Chromallergiker, das heißt, das sind Leute, die kein Leder tragen können aufgrund dieses Gerbstoffes, der dort ist, weil der sich sehr relativ leicht von dem eigentlichen Gerbstoff, sogenanntes Chrom III in Chrom VI umwandelt. Und das wiederum kann Allergien auslösen. Das heißt also auch bei uns leiden dann am Ende Menschen darunter, wenn sie dieses Produkt tragen. Und unsere Innovation war halt auf dieses Chrom zu verzichten und dafür einen pflanzlichen Extrakt einzusetzen, der das natürlich genauso kann, weil die ursprüngliche Gerbung war auch pflanzlich, ist leider ein bisschen ins Hintertreffen geraten mit allem Möglichen, was die Leute damals halt so gefunden haben und natürlich auch noch nicht so technologisch, wie das heutzutage stattfindet. Und unser Motto war im wahrsten Sinne des Wortes back to the roots. Und deswegen haben wir Inhaltsstoffe dort isolieren können, die sich auch dafür eignen.

00: 04:23Sandra Fleckenstein: Mega spannend. Also ich wusste jetzt auch gar nicht, dass früher schon mit anderen Stoffen gegerbt wurde. Also wenn ich an Gerben denke, dann habe ich sofort Leder im Kopf. Was wurde da so gegerbt?

00: 04:37Anne Christine Bansleben: Also es geht schon, dass um das Werben der Häute, aber die Inhaltsstoffe, also die Pflanzen, also alles was man im Wald gefunden hat, Schalen, Nüsse, Blätter dann wurde eine Grube gegraben, dann wurden die Häute dort reingelegt, die Rohen, dann wurde alles dazugetan, was man so übertragen bekommen hat von den Vorfahren, was sich dafür eignet. Dann wurde das wieder zugebuddelt, sage ich mal und nach ein paar Monaten wieder ausgegraben und dann hatte man ein haltbares Produkt. Ist natürlich nicht komplett vergleichbar mit Ledern, wie man sie heute kennt, aber die Leute konnten es zumindest verwenden, was ja sinnvoll ist, also diese Häute auch zu verwenden, wenn das Tier schon gestorben ist, dass man natürlich auch alles davon verwertet. Und Leder wurde ja schon immer gebraucht.

00: 05:19Sandra Fleckenstein: Genau. Einfach auch um bei kälteren Temperaturen sich zu schützen vor Kälte und so.. Wie bist du da drauf gekommen? Habe ich mich gefragt. Also hast du da gesessen und gedacht okay, ich würde gerne was gegen Kinderarbeit machen und mich für bessere Arbeitsbedingungen in Asien einsetzen. Ach ich entwickle jetzt mal ein neues Ledergerbverfahren oder wie ist das gelaufen?

00: 05:42Anne Christine Bansleben: Eigentlich von einer ganz anderen Seite her. Also ich habe Ökotrophologie studiert und mich auf Pflanzenanalytik spezialisiert. Hatte dann die Gelegenheit, nach meinem Studium in einer Arbeitsgruppe an unserer Hochschule auch direkt anzufangen mit meinem jetzigen Mann. Und wir haben dort eine Expertise in dieser Arbeitsgruppe gehabt, die sich vor allen Dingen um den Rhabarber drehte. Das heißt, wir hatten Zugang zu über 40 verschiedenen Spezies für alle möglichen Forschungsansätze, also nicht nur mit dem Fokus auf Leder, sondern auch auf Pflanzenschutz, auf Pharmazie und und und. Also, wie ich so erzählt habe, die Pflanze von Kopf bis Fuß durchscreenen und zu schauen, welche Inhaltsstoffe sind drin, um Produkte zu verbessern, um Produktinnovationen zu entwickeln. Neue Produkte, wie auch immer. Das ist so ein bisschen die Aufgabe dieser Arbeitsgruppe gewesen und das immer sehr praxisorientiert. Und dabei ist festgestellt worden, da haben wir gesehen, okay, in der Wurzel sind Inhaltsstoffe drin, die sich eigentlich theoretisch fürs Gerben eignen. Die bringen diese chemischen Eigenschaften mit. Und so war dann der Ansatz, dass wir gesagt haben, okay, dann schauen wir doch mal näher in diese Industrie, wie passiert das? Also okay, Schwermetalle, da wäre ja eine nachhaltige Alternative sehr wünschenswert. Und so haben wir ganz am Anfang angefangen, das wirklich rein analytisch zu betrachten und zu sagen, da wäre eine Innovation wirklich sehr sinnvoll. Und so hat das alles begonnen, dass wir uns dann die passenden Partner gesucht haben. Also der braucht natürlich Feedback von den Gerbern. Wie muss so was beschaffen sein, dass sie das in ihren Anlagen einsetzen können? Weil Ziel von uns war von vornherein, dass keine neuen Maschinen entwickelt werden müssen, sondern wirtschaftlich kann es nur sein, wenn die Gerbereien natürlich einfach ihre Maschinen beibehalten können und nur an der Stelle, wo sonst das Schwermetall ins System kommt. Man sagt, man setzt den pflanzenbasierten Extrakt ein, der dann da in die Anlagen gespült wird. Und so haben wir sehr anwendungsbezogen von vornherein gearbeitet.

00: 07:43Sandra Fleckenstein: Wahnsinn. Also du hast quasi durch dein Studium, hast ja dann auch noch promoviert, hast du angefangen zu forschen. Und daraus hat sich dann diese Idee entwickelt.

00: 07:55Anne Christine Bansleben: Korrekt. Eigentlich auch am Anfang gar nicht mit der Intention, wirklich da ein Business draus zu machen, sondern den reinen Forschungsansatz zu haben.

00: 08:04Sandra Fleckenstein: Ja, das habe ich jetzt auch schon in den letzten Folgen von Forscherinnen gehört, dass man erst mal forscht, aber sich irgendwann natürlich die Frage stellt: Okay, wo liegt da der Mehrwert für die Gesellschaft? Wie können wir daraus Rückschlüsse ziehen und konkrete Produkte oder Verfahren entwickeln? So war das bei dir also auch. Okay, du hast eben schon angesprochen, du hast dann 2010 dein eigenes Unternehmen gegründet. Du bist Geschäftsführerin des Modelabels Deep Mello. Wie ging es dann weiter? Wie kommt man aus dem Labor...?

00: 08:39Anne Christine Bansleben: Zur Fashion Week? Ja, genau. Also ich habe es ja schon so ein bisschen beschrieben. Wir sind ja, was die Gerberei Industrie angeht absolute Quereinsteiger. Dadurch, dass wir ja diesen eher wissenschaftlichen background haben und aus der Pflanzenrichtung kommen. Das gab es ja nicht oder gibt es glaube ich auch bis jetzt nicht, dass Leute dann sagen: Okay, wir wollen aber in diesen Bereich einsteigen und wir wollen, dass diese Produkte auch ihren Weg auf den Markt finden. Und wir haben aber halt relativ schnell gesehen, es ist sehr schwierig, jetzt einfach zu sagen: Okay, das ist so eine Haut und wir bieten die euch jetzt hier an und ihr könnt da natürlich da ganz tolle Sessel und Taschen und was auch immer daraus herstellen. Also haben wir gesagt, wir gehen einen anderen Weg, wir produzieren selber Produkte, suchen uns passende Designer, die für uns die Designs machen, entwickeln ein wirkliches Modelabel, präsentieren uns auf Fashionmessen, so dass wir einfach eine Aufmerksamkeit für das Produkt bekommen. Und das ist halt einfacher, wenn man was zum Anfassen hat, wenn man eine schöne Handtasche hat oder ein Kleid oder eine Lederjacke, daraus sich dann vorzustellen, das ist wirklich genauso einsetzbar wie bisher bekannte Leder. Man kann das Material ohne Einschränkungen dafür genauso verwenden. Und das war natürlich dann ein bisschen einfacher, das über Presse bekannter zu machen. Also dann, um Rhabarberleder sozusagen in aller Munde zu bekommen. Und deswegen haben wir diesen Ansatz über das Fashion Label gewählt.

00: 10:05Sandra Fleckenstein: Du hast es eben schon so schön gesagt, also vom Labor zur Fashion Show, das kann man schon so sagen. Und weil du jetzt gerade gesagt hast, "wir", du hast eben schon mal erwähnt, dein Mann ist auch in dem Business mit drin, wie groß ist euer Unternehmen mittlerweile?

00: 10:22Anne Christine Bansleben: Mittlerweile sind wir acht Mitarbeiter und steuern sozusagen. Wir sind die Schnittstelle zwischen allen Produktionsprozessen. Das heißt also, bei uns laufen die Fäden zusammen, wir koordinieren den Rhabarberanbau, die Extrakt Produktion, die Lederproduktion und den Vertrieb für unser eigenes Material. Das liegt so ein bisschen bei uns im Team. Also wir haben, das hört man da schon raus, natürlich keine eigene Gerberei, sondern wir haben die Gerberei, mit der wir damals auch schon die Forschung betrieben haben, auch als Geschäftspartner ja gewinnen können. Und die produzieren nach unserer Rezeptur. Und wir produzieren natürlich den Extrakt auch nicht mehr im Labormaßstab, sondern mittlerweile lassen wir den auch großtechnologisch herstellen und koordinieren, in unseren Händen laufen die Fäden sozusagen zusammen.

00: 11:12Sandra Fleckenstein: Wahnsinn. Also wirklich den ganzen Prozess von Stunde Null. Wie der Rhabarber angebaut wird. Bis dann, wenn ein Model mit so einem Rhabarber Ledermantel über den Catwalk läuft. Da seid ihr überall irgendwie dabei und involviert.

00: 11:30Anne Christine Bansleben: Genau. Obwohl unser Fokus mittlerweile wirklich dann, das hat irgendwann dann diesen Switch gegeben, den wir ja beabsichtigt haben, dass das Material bekannter war und wir gesagt haben: Okay, dann können wir uns jetzt auch auf den Vertrieb der Leder spezialisieren oder mehr konzentrieren, sage ich mal. Und nicht mehr so viel uns auf den Fashion Weeks der Welt rumtreiben, sondern das war ja unser Ziel zu sagen: Okay, wir wollen gerne, dass das Material bekannt ist und dann können wir uns auf den Vertrieb des Materials konzentrieren und eher andere Designer motivieren, unser Material zu benutzen.

00: 12:03Sandra Fleckenstein: Also das läuft quasi parallel. Okay. Und was konkret für Produkte stellt ihr denn jetzt aus diesem Rhabarberleder her? Ich denke jetzt erst mal vielleicht an Schuhe oder eben Mäntel. Oder was kann man da alles draus herstellen?

00: 12:18Anne Christine Bansleben: Wie ich eben schon kurz erwähnt habe, alles was man aus Leder kennt. Also wir haben Kunden, die setzen unser Leder für Sessel ein, für Taschen, für Bekleidung jeglicher Art, für Accessoires, für Interieur. Also man kann natürlich da auch verschiedene Möbel mit beziehen, für Automotive, also in allen Bereichen, in denen man Leder kennt. Dort ist unser Leder auch vertreten.

00: 12:42Sandra Fleckenstein: Und kann man es dann auch einfärben? Wahrscheinlich.

00: 12:44Anne Christine Bansleben: Genau. Also das ist der natürliche Farbe des Leders, ist so ein Cremeton. Wir nennen den Champagner, das ist unsere ganz natürliche Farbe, das heißt, da wird auch keinerlei Farbstoff eingesetzt. Und ansonsten färben wir die Leder auch nach ökologischem Standard. Das heißt natürlich frei von Azul Farbstoffen, natürlich frei von Schwermetallen, weil die werden zum Beispiel auch in der Färbung oft eingesetzt. Macht natürlich keinen Sinn, wenn man vorher schwermetallfrei gerbt. Das heißt, da legen wir auch großen Wert drauf und dann kann man eine breite Range an unterschiedlichsten Ländern in verschiedenen Farben oder Oberflächen oder Stärken bei uns bestellen. Also das heißt, dass wir natürlich für die jeweiligen Anwendungen auch das passende Leder haben, weil das ist ein anderes, ob man daraus Gürtel herstellt oder ob man daraus ein Sneaker machen möchte.

00: 13:29Sandra Fleckenstein: Verstehe. Und habt ihr jetzt bei Deep Mello ausschließlich diese Rhabarber Lederprodukte oder vertreibt ihr auch noch andere Fashion Items?

00: 13:40Anne Christine Bansleben: Also bei unserer eigenen Kollektion konzentrieren wir uns vor allen Dingen auf Taschen. Da sind wir so ein bisschen drauf spezialisiert. Wir haben auch schon vorherige Kollektionen mit Bekleidung gemacht, aber unser Steckenpferd sind dann die Taschen und natürlich der Vertrieb, dass wir sagen, wir wissen, andere Leute können einfach auch ganz andere Produktionen stemmen, als wir das können und stellen da zum Beispiel tolle Schuhe her oder so.

00: 14:04Sandra Fleckenstein: Welche Vorurteile begegnen dir, wenn Menschen erfahren, dass du mit Leder arbeitest?

00: 14:10Anne Christine Bansleben: Ähm, eigentlich gar nicht so viel. Also Vorurteile., ich überleg gerade mal.

00: 14:15Sandra Fleckenstein: Wahrscheinlich dass man immer direkt dazu sagt, aber ist Rhabarberleder.

00: 14:18Anne Christine Bansleben: Ja genau, es ist pflanzlich gegerbt das auf jeden Fall. Das ist ja das Besondere. Das ist auch das, worauf ich Wert lege. Was natürlich uns von anderen Produzenten auch unterscheidet, dass es da ein innovatives Konzept auch dahinter gibt, nachhaltiges Konzept, dass wir verantwortungsvoll produzieren, das ist halt sehr wichtig. Also insofern kein grundsätzliches Problem mit Leder. Der einzige Aspekt ist natürlich die Geschichte, wenn es darum geht, sollte Leder überhaupt eingesetzt werden, dass solche Fragen natürlich aufkommen. Und da haben wir aber eine ganz klare Haltung zu. Diese Leder fallen an, diese Häute fallen an, also selbst wenn man zum Beispiel jetzt eine vegane Lebensweise hat, kann man nicht verhindern, dass weltweit natürlich sehr viel Fleisch noch gegessen wird. Und es wäre fatal, dieses Abfallprodukt, was ja heute am Ende sind, nicht verantwortungsvoll auch zu Produkten zu produzieren. Das dann in dem Sinne verantwortungsvoll meine ich damit nachhaltig- Nicht Schwermetall, kein Sondermüll, wo eigentlich diese Produkte dann hin müssten, weil Schwermetalle können ja in der Umwelt nicht mehr abgebaut werden, die kann man nicht einfach in den Hausmüll werfen. Das heißt also, da verantwortungsvolle Produkte am Ende daraus zu erzeugen und wir sehen da halt auch einen sehr großen Hebel drin, also zu sagen, das nur so kann man auch eine wirkliche Alternative schaffen zu dem herkömmlichen Produkt.

00: 15:42Sandra Fleckenstein: Wir haben jetzt schon viel über euer besonderes Leder gesprochen. Jetzt stellt sich mir die Frage: Wo liegt jetzt genau der Unterschied zwischen so einem Rhabarber gegerbten Leder und einem veganen Leder? Auch gerade was so diese Nachhaltigkeits- und Umweltaspekte betrifft.

00: 16:05Anne Christine Bansleben: Also wir verwenden ein Abfallprodukt aus der Fleisch und Milchwirtschaft. Also diese Häute fallen an. Die werden produziert. Das Tier hat einmal gelebt, ist gestorben und wir erachten es als für sehr verantwortungsvoll, natürlich dann auch möglichst alles von diesen Tieren zu verwenden, inklusive der Häute. Und unser Verfahren basiert darauf, dass wir dieses Abfallprodukt, diese Häute nachhaltig gerben, und zwar mit unserem pflanzlichen Extrakt. Ein veganes Leder, was man aber auch eigentlich nicht Leder nennen darf, weil Leder heißt immer tierischen Ursprungs. Also nennen wir es mal ein veganes Produkt, was ein Leder imitieren soll.

00: 16:43Sandra Fleckenstein: Wusste ich gar nicht. Also vegane Leder darf es offiziell gar nicht geben.

00: 16:46Anne Christine Bansleben: Nein, darf es nicht heißen.

00: 16:48Sandra Fleckenstein: Soheißen, okay.

00: 16:49Anne Christine Bansleben: Darf es nicht heißen. Also man sagt ein veganes Produkt, was Leder imitiert, so könnte man es ja zum Beispiel formulieren, hat zum Beispiel auch eine pflanzliche Basis, also dass da pflanzlicher Rohstoff mit eingesetzt wird. Material braucht aber oftmals erdölbasiertes Kunststoff, um eine gewisse Haltbarkeit zu bekommen, um wirklich das Material einem Leder nachzuempfinden. Und das ist natürlich aus unserer Sicht zumindest nicht nachhaltig, wenn man erdölbasierte Kunststoffe einsetzen muss, somit wieder ein neues Produkt erzeugt. Wir verwenden ja etwas, was es eh schon gibt. Wir erzeugen nichts Neues. Und deswegen erachten wir das nicht wirklich als nachhaltig. Das ist manchmal so ein bisschen was in einen Topf geworfen wird, vegan gleich nachhaltig. Da sollte man aber durchaus auch mal hinterfragen.

00: 17:40Sandra Fleckenstein: Deshalb ist gut, dass wir da heute noch mal drüber gesprochen haben. Also wenn man vegane, lederähnliche Produkte irgendwo sieht oder im Schaufenster sieht oder online oder so, dann heißt das nicht automatisch nachhaltig. Ihr habt aber jetzt für euch quasi gesagt, wir nehmen die die Lederhäute, die eh da sind, weil es ein Abfallprodukt ist. Ihr versucht quasi alles wieder zu verwerten und das eben mithilfe eines nachhaltigen Gerberungsverfahrens. Also das ist wirklich nachhaltig.

00: 18:16Anne Christine Bansleben: Genau. Genau.

00: 18:18Sandra Fleckenstein: Wie siehst du dich eher oder wie nimmst du dich wahr? Eher als Forscherin, da wo du herkommst, was ja die Basis von allem ist. Oder mittlerweile, dann doch eher als Unternehmerin?

00: 18:29Anne Christine Bansleben: Also den Forschergeist legt man nie ab. Also wenn man das einmal gemacht hat und auch mit Passion betrieben hat. Also ich muss sagen, ich bin eigentlich eher aus der Motivation heraus, das Produkt soll auf den Markt, Unternehmerin geworden. Nicht, weil ich mit meiner Forschungstätigkeit unzufrieden war oder mir das keinen Spaß gemacht hat. Der Tag hat halt nur 24 Stunden und irgendwann musste ich mich entscheiden und habe das zugunsten des Produktes gemacht. So möchte ich das vielleicht sagen. Also das heißt, ich bin mittlerweile sicher mehr Unternehmerin als Forscherin, aber ich habe nach wie vor Interesse daran. Und wir haben auch immer noch einen kleinen Part im Unternehmen, der sich auch Forschung und Entwicklung nennt, wo wir weiterhin innovative Ideen umsetzen und auch die für die Gerberei Industrie vor allen Dingen entwickeln und da noch ein paar innovative Produkte in der Hinterhand haben.

00: 19:22Sandra Fleckenstein: Liebe Anne, welche Tipps kannst du jungen Frauen geben, die in der Forschung jetzt zum Beispiel an einer Hochschule arbeiten und ihre Ideen gerne in die Praxis umsetzen und gründen möchten?

00: 19:34Anne Christine Bansleben: Sich unbedingt mit Unternehmerinnen unterhalten. Das heißt, man kann natürlich von den Fehlern oder auch den richtigen Wegen der anderen sehr gut lernen und sich da vielleicht an Veranstaltungen ins Gespräch bringen und sich da ganz viele Tipps abholen. Eigentlich sind die Leute immer sehr bereit, da ihren Erfahrungsschatz weiterzugeben. Und das ist ein Tipp, den ich einfach nur so mitgeben kann. Und mutig sein, ruhig sich was trauen.

00: 20:01Sandra Fleckenstein: Das ist ein sehr guter Tipp. Du hast jetzt diese wissenschaftliche Karriere hingelegt und du hast auch ein erfolgreiches Unternehmen gegründet. Also eigentlich kann man sagen, du lebst deinen Purpose. Wie geht es für dich weiter? Was ist deine große Vision?

00: 20:20Anne Christine Bansleben: Die große Vision ist eigentlich Rhabarberleder überall anzutreffen, wo man Leder finden kann. Also wir möchten das gerne in allen Bereichen ganz selbstverständlich sehen. Das ist für uns das große Ziel, nicht mehr unbedingt nur ein Exot zu sein, sondern dass nachhaltig hergestellte Leder einfach der Standard sind. Und dafür kämpfe ich, dafür bin ich viel unterwegs und spreche darüber und kläre auch auf.

00: 20:44Sandra Fleckenstein: Das klingt gut und genau deshalb sitzen wir auch heute hier zusammen, um genau dieses Thema in die Welt zu tragen und ein bisschen von deinem Lebensweg zu erfahren, der wirklich sehr inspirierend ist. Ich würde mich wahnsinnig gerne noch länger mit dir unterhalten über dieses wirklich spannende Thema. Wir sind leider schon am Ende der Sendung angekommen und vielleicht weißt du es schon. Am Ende stelle ich immer eine bestimmte Frage, nämlich Was ist dein Lieblingsgetränk?

00: 21:12Anne Christine Bansleben: Ah, okay. Natürlich eine Rhabarberschorle.

00: 21:15Sandra Fleckenstein: Eine Rhabarberschorle? Wer hätte es gedacht? Okay, dann stell dir gerne mal vor, du sitzt in deinem Lieblingscafe. Es ist ein total schöner, lauschiger Tag. Du hast eine Rhabarberschorle bestellt. Die wird dir gerade an deinen Tisch gebracht. Und dir gegenüber sitzt dein jüngeres Ich. Die junge Anne, die vielleicht gerade am Anfang ihres Ökotrophologie studiums steht. Was möchtest du denn mit auf den Weg geben?

00: 21:49Anne Christine Bansleben: Oh, das ist interessant. Also, vielleicht, das hast du ganz gut gemacht, oder trau dir das zu, was du da so im Kopf hast. Du schaffst das auf jeden Fall, finde ich einen guten Tipp, weil das hat mir meinen Weg gezeigt, dass man mit Engagement und wenn man für die Sache brennt, man sehr viel erreichen kann. Und das deshalb schon. Halte daran fest und mach es einfach.

00: 22:14Sandra Fleckenstein: Mach's einfach. Das ist ein schönes Schlusswort und natürlich auch das, was du vorher schon unseren ZuhörerInnen empfohlen hast. Mutig sein, das ist ja auch immer so ein wichtiger Punkt, dass gerade wir als Frauen ganz oft uns Sachen gar nicht so zutrauen und da einfach alle Zweifel beiseiteschieben und sagen: Ja, ich mach das jetzt einfach, korrekt. Liebe Anne, vielen, vielen Dank für dieses inspirierende Gespräch. Ich meine, für dich sind die Themen natürlich dein Daily Business, aber für uns sind sie echt außergewöhnlich und inspirierend. Also sowohl inhaltlich, aber auch wie du das alles angehst und umsetzt. Und ja, frei nach dem Motto es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Das hat uns ja schon Erich Kästner mit auf den Weg gegeben. Ich wünsche euch da draußen jetzt noch einen wundervollen Tag, Abend oder vielleicht auch eine gute Nacht. Bis zum nächsten Mal, eure Sandra.

00: 23:13Intro/ Outro: Wir hoffen, dass euch die Folge gefallen hat. Auf unserer Plattform Innovative-Frauen.de findet ihr weitere spannende Inhalte. Schaut doch gerne mal vorbei. Habt ihr Fragen oder Wünsche? Dann schreibt uns an Podcast@Innovative-Frauen.de. Ihr findet uns auch bei Instagram, Twitter, YouTube und LinkedIn. Und eine Info zum Schluss für die Transparenz. Die Plattform #InnovativeFrauen wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderrichtlinie Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern unter dem Förderkennzeichen 01FP21070 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt beim Kompetenzzentrum Technik Diversity Chancengleichheit e.V..

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